Kirpal Singh

Auswahl aus einem frühen Diskurs

Übersetzung aus englischen Vorlagen durch Schüler Kirpal Singhs

aus ‚Selections from an Early Discourse‘, Sat Sandesh, April 1970, S. 29–31

Keine Religion erlaubt die Schändung von Frauen oder das Töten von Menschen. Aber ach! Was der Mensch mit dem Menschen getan hat, ist zu schockierend, um aufgezeichnet zu werden. Nach der Teilung dieses Landes beschmutzten die Menschen im Namen der Religion die Reinheit der Frauen und töteten Hunderttausende unschuldiger Menschen. Wenn dieser grausame und entsetzliche Todestanz nicht dazu dienen kann, unsere Augen zu öffnen, können wir uns unmöglich bessern. Wenn wir nur ein bisschen Gefühl in uns hätten, würden wir beschämt unsere Köpfe senken. Es sind, wie auch immer, einige wenige erwachte Seelen unter uns, jedoch sind diese sehr selten, und solche erstatten wertvolle, treue Dienste in diesen höchst verführerischen und schwierigen Zeiten.

Ich würde mich gern auf ein paar Beispiele über Hazur in diesen Tagen beziehen, Hazur litt physisch, da der Körper allein von Krankheiten befallen wird, und die großen Seelen sehr oft stellvertretend die Lasten karmischer Rückwirkungen auf sich nehmen. Während der Tage der Teilung, als die Leidenschaften überkochten, suchten einige Moslems bei Hazur Schutz. Er behielt sie liebevoll in der Dera. Im September 1947 plante Hazur nach Amritsar zu gehen. Als ich zu Ihm ging, um Ihn zu sehen, in der Hoffnung, Ihn nach Amritsar zu begleiten, gebot Er mir, in der Dera zu bleiben und mich um das Wohlbefinden der Bewohner der Dera und der Moslems zu kümmern, entsprechend der augenblicklichen Notlage. Eine Moslemkarawane war an diesem Tag dabei, nach Pakistan zu gehen. Aus diesem Grunde wies mich Hazur an, die Moslems aus der Dera zu dieser Karawane zu eskortieren. So geschah es, dass ein sintflutartiger Regen an diesem Tage herabströmte.

Hazur fühlte eine tiefe Agonie (Qual) und sagte:

Unsere moslemischen Glaubensbrüder befinden sich in einer jämmerlichen Notlage, doch haben wir keine Sympathie für sie in unserem Herzen.

Als Hazur nach Amritsar aufbrach, sah Er eine riesige Menge von Moslems nahe der Bahnstation von Beas. Ein Jamardar1 war mit Ihm im Wagen und trotz seiner Proteste ordnete Hazur an, den Wagen direkt zu der moslemischen Menge zu fahren und hielt mitten unter ihnen. Er rief nach dem Führer der Moslemkarawane und bat mit Tränen in den Augen:

Ich habe in der Dera einige moslemische Glaubensbrüder und würde sie liebend gerne sicher über die Grenze eskortiert sehen.

Das sind wahrlich Taten von hochbeseelten Heiligen. Sein Herz war voller Mitgefühl und Erbarmen für die leidende Menschheit.

Am Abend war ein Lastwagen voll mit Moslems bereit, sich den Evakuierten auf dem Marsch anzuschließen, als ich plötzlich die Nachrichten hörte, dass sich eine Bande bewaffneter Akalis in der Nähe der Dera gesammelt hatte, mit der Absicht, diese zu überfallen und die Moslems zu massakrieren. Ganz allein ging ich zu ihnen, voller Zuversicht in Hazurs Großzügigkeit und Erhabenheit.

Ich sagte ihnen:

Diese hilflosen Glaubensbrüder sind zu Hazur gekommen um Schutz zu suchen. Es ist die Pflicht des Khalsas, den Schutz zu gewähren, nach welchem sie verlangten. Der Geist der Khalsas verlangt, zweifelsohne, dass solchen, die um Gnade ersuchen, auch Gnade gewährt werden muss. Ihr hättet sie besser umarmt und an eure Brust gedrückt.

Diese Worte hörend, kamen ein paar ältere Akalis nach vorne und sagten:

Du hast an diesem Tag die Khalsas gerettet, was sonst ein großes Sakrileg und ein abscheuliches Verbrechen gewesen wäre, das Leben zu nehmen von so vielen armen Seelen. Wir werden jetzt nicht ein Haar dieser Leute krümmen.

Die ganze Umwandlung von einem blutrünstigen Mob zu einem von Sympathie und Mitgefühl kam durch die Gnade von Hazur.

Als der Lastwagen dabei war, an den Akalis vorüberzufahren, ließ ich ihn halten und sagte:

Diese Glaubensbrüder von uns verzichten heute nicht auf ihr Zuhause wegen irgendeines Hasses uns gegenüber, sondern sind dazu getrieben worden aus purer Notwendigkeit. All die Jahre haben wir zusammengelebt in Frieden und Einverständnis. Wird es nicht besser sein, wenn wir uns in liebevoller Umarmung verabschieden?

Dies berührte sie bis ins Innerste. In einem Augenblick fand ich zwei – Akalis und Moslems –, die sich gegenseitig mit Tränen, die ihnen die Wangen herunterströmten, umarmten. Die beiden, die noch vor einer kurzen Weile darauf aus waren, sich gegenseitig die Kehle durchzuschneiden. Keine Religion erlaubt Menschenschlächterei oder Völkermord.

Wir sind in diesen Dingen nachsichtig, weil wir in der falschen Weise gelehrt wurden, und Rebellion wird als Tarnung benutzt für die Ausübung von furchtbaren Taten, um einem selbstsüchtigen Ende zu dienen. Es gibt aufgezeichnete Beispiele, wo Moslems auch die Leben von Hindus retteten und andersrum.

Es bleibt die Tatsache, dass, wer immer die wahre Bedeutung seiner Religion gefunden hat, eine alles-umarmende Liebe für die gesamte Menschheit hat und nicht von einer regional begrenzten und kommunalen Liebe zerrissen wird.

Es wird gesagt:

O Mann der Weisheit (Moses), du bist gesandt worden, um die Menschen an mich zu binden (Gott), und nicht um meine Menschen von mir fortzuführen.

Einst führte ein Hirtenjunge seine Ziegen zum Weiden auf eine Wiese, setzte sich unter einen Baum, und liebevoll fing er an, sich mit Gott auszutauschen auf folgende Weise:

O Gott, ich wünschte, dass wir beide Seite an Seite zusammenleben sollten. Ich würde es Dir nie unbequem machen. Würdest Du in Krankheit fallen, würde ich Tag und Nacht auf Dich Acht geben, würdest du ermüden, würde ich Dir Deine Hände und Füße massieren. Ich würde Dir Weizenbrot und Spinat zum Essen bringen und ich würde Dir frische Ziegenmilch zum Trinken geben. Ich würde Läuse von Deinem Haar entfernen und Dir eine Haarwäsche geben mit Milch und Jogurt …

Der Hirtenjunge war tief in diesen Gedanken versunken, als der Prophet Moses diesen Weg entlang kam. Er schimpfte mit dem Jungen und sagte:

O du Dummkopf, warum betreibst du Gotteslästerung. Gott ist völlig anders als du und würde niemals dein Weizenbrot und Spinat essen, noch würde Er jemals in Krankheit verfallen oder Läuse auf Seinen Kopf bekommen.

Der Junge war wie gelähmt, als er das hörte und begann bis in jeden Nerv zu zittern und fragte:

Vielleicht bin ich falsch … Ich hätte nicht so reden sollen … Wird der Große Gott mit mir verärgert sein?

Mit diesen Gedanken begann er zu weinen. Als er schluchzte, spürte er Trost und war im Einklang mit der Höheren Kraft. In diesem glückseligen Zustand hatte er eine Vision von Gott.

Der Himmlische Besucher tröstete ihn mit den Worten:

Ich nehme deine Angebote an, da wir sehr erfreut über dich sind.

In der Zwischenzeit hatte Moses die Höhen des Berges Sinai erreicht, setzte sich in Meditation und hörte in sich die Stimme Gottes:

O Moses! Ich bin gänzlich verärgert über dich. Du bist schuldig, das Herz dieses Hirtenjungen gebrochen zu haben, welcher sich mit Mir ausgetauscht hatte, mit aller Liebe und Zuneigung.

Der Prophet war überrascht und sagte:

O Gott, seine Worte waren nicht von Liebe, sondern lästernd.

Der Große Gott antwortete:

Du weißt, dass die Welt dieses Jungen nichts anderes als Weizenbrot, Spinat, Ziegenmilch und Läuse enthält. Ich gab dir Weisheit und hättest du sie gebraucht, würdest du nicht so gesprochen haben. Ich sandte dich in die Welt, damit du die an Mich binden mögest, welche getrennt von Mir sind und nicht, dass du die liebenden Herzen auseinander reißen sollst, die Eins mit Mir sind.

Hazur besaß diese Eigenschaft in großem Überfluss. Er würde Tausende Menschen zu einer gemeinsamen Bruderschaft vereinen. Alle von uns, die hier versammelt sind, gehören zu dieser großen Brüderlichkeit, in welche uns Hazur verbunden hat. Wir müssen nicht nur in Frieden und Harmonie leben, sondern Liebe und Zuneigung für die gesamte Menschheit haben. Dies wird nur möglich sein, wenn man den wahren Sinn von Hazurs Lehren versteht. Im Allgemeinen, wenn solche Hohen Seelen von uns gehen, degenerieren die darauf folgenden; eine kleinliche Gesinnung schleicht sich ein und wir beginnen den Mammon und die Sünde anzubeten.

Hazur pflegte uns zu sagen, dass, wenn eine Hohe Seele in die Welt kommt, sich auch die Anbeter von Wohlstand und Frauen um Sie sammeln.

Deshalb sagte Er:

Um was immer mich eine Person bittet, gewähre ich ihr. Der, welcher Reichtümer wollte, bekam Reichtümer. Der, welcher sich Land wünschte, dem wurde Land gegeben. Jene, welche mich allein wollten, bekamen mich im Überfluss.

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Erläuterung: 1) Ein Jamardar ist ein Soldat und Hazurs Handlung, mitten unter die vermeintlichen ‚Feinde‘ zu fahren, war vom militärischen Standpunkt aus irrsinnig (Anmerkung des Herausgebers).