Der Letzte Weg

Nachdem die Seele aus der dunklen Leere, der Maha Sunn, emporgekommen ist, erreicht sie jene Innere Ebene, die in der Terminologie der östlichen Adepten der Mystik als Bhanwar Gupha – oder auch als der gebogene Tunnel – bekannt ist.

Die Seele besteigt den Gipfel von seiner Westseite und dringt durch Maha-Sunn hindurch. Indem das Tor zu Bhanwar Gupha aufgestoßen wird, lauscht sie der Musik der Flöte, die von Sohang ausgeht.

Soami Ji

Dies ist der vierte Bereich über der physischen Ebene; eine Region von Spiritueller Substanz mit nur geringen Beimengungen von Materie. Wenn die Seele weiter fortschreitet, überquert sie einen hohen, leuchtenden Pass über einer heftigen Brandung aus Spiritueller Kraft, die als Hansni Tunnel bekannt ist.

Dann gelangt sie durch den gewaltigen Eingang des prächtigen Rukmini Tunnels, wo sie ein unglaublich schönes Gebilde wahrnimmt, dessen Strahlung auf die Schau der Seele einwirkt und dadurch erreicht, dass der Nirat – die Sehkraft – der Seele und ihr Surat – die Kraft zu hören – zu ganzer Vollendung und Wahrem Frieden gelangen.

Die Seele schreitet dann zu einer höheren Ebene dieses Spirituellen Bereiches fort und erblickt zu ihrer rechten Seite leuchtende kosmische Inseln von unermesslicher Schönheit und auf der linken Seite viele Kontinente mit glanzvollen Palästen, die aus Perlen erbaut zu sein scheinen und deren obersten Stockwerke mit Rubinen, Smaragden und Diamanten geschmückt sind. Die Schönheit all dieser kosmischen Szenerie erfüllt die Seele mit einer wunderbaren Trunkenheit.

Bhanwar Gupha wird von einem Großen Spirituellen Herrscher regiert, Dessen Name in der Terminologie der Adepten der Mystik des mittleren und fernen Ostens als Das bin ich! übersetzt wird.

In der Tat kennen die Sufi-Meister und Moslems die ganze Region als Anahu, was wiederum Das bin ich! bedeutet.

In der Region von Bhanwar Gupha – Sohang – erkennt die Seele ihre Verwandtschaft mit dem Schöpfer gänzlich und weiß bewusst, dass sie ein Tropfen des Göttlichen Geistes im Meer der Allbewusstheit ist und ruft aus:

Ich und mein Vater sind Eins.

Maulana Rumi schrieb von den klagenden Tönen einer Flöte, die auf einem Berggipfel gespielt wird und die von der Trennung der Seele von ihrer Wahren Quelle berichtet. Die Musik, die diese Region durchdringt, ist die einer himmlischen Flöte; und es war diese Musik, die im Bewusstsein des Großen Maulana Rumi erklang.

Nichtsdestoweniger gibt es auch hier wieder nichts auf der physischen Welt, was dem Vergleich mit den wunderbaren Tönen der Melodie von Bhanwar Gupha standhalten kann.

Dieser bezaubernde Ton geht von dem strahlenden kosmischen Berg aus, der sich majestätisch über dieser Region erhebt und über dem die Seele eine gewaltige Sonne erblickt, die in einem blendend weißen Licht scheint, das abertausend Mal heller als die physische Sonne unseres Sonnensystems ist.

Der Tonstrom der Flöte, den du bislang hörtest, wie du berichtest hast, ist sehr gut. Diesem sollte mit gespannter Aufmerksamkeit gelauscht werden. Er wird stärker werden, näher kommen und schließlich von oben kommen. Er wird dich letztlich mit einer solch hinreißenden Glückseligkeit segnen, dass dein Gemüt für immer unter Kontrolle gebracht wird zu gegebener Zeit mit der Gnade des Meisters.

Spirituelles Elixier (Übersetzung aus der
englischsprachigen Erstedition, 1967) –
Teil II: II. Meditation,
von Kirpal Singh, 1894–1974

Diese Region hat Guru Nanak besungen:

Höher noch steht Karm Khand, der Bereich der Gnade. Hier ist das Wort alles in allem, und nichts anderes überwiegt. Hier verweilen die Tapfersten der Tapferen, die Bezwinger des Gemütes, voll der Göttlichen Liebe. Hier verweilen die Verehrer mit Verehrung, unvergleichlich wie Sitaist. Erleuchtet mit unaussprechlicher Schönheit, alle Herzen ganz von Gott erfüllt, sie leben jenseits vom Reich des Todes und der Täuschung2. […]

Jap Ji, Strophe 37

Bhanwar Gupha ist wirklich ein Reich der Schönheit und des Lichts und die Seelen, die dort leben, nehmen das Elixier des Tonstroms auf, wie wir auf der physischen Ebene täglich essen und trinken.

Dennoch müssen Bhanwar Gupha und alle Regionen darunter – die überkausale, kausale, astrale und physische – schließlich der Auflösung unterliegen, wie es die Adepten der Mystik ausdrücken. Auflösungen von verhältnismäßig kurzer Dauer erstrecken sich bis zum Gipfel der Kausalregion, wogegen die unermesslich lange währenden, großen Auflösungen sich durch den überkausalen Bereich von Daswan Dwar bis hinein in das Reich von Bhanwar Gupha erstrecken.

Und daher muss die sich sehnende Seele weiter emporsteigen, um die wirkliche Spirituelle Befreiung zu erlangen, denn nur Sach Khand, die fünfte Innere Region über der physischen Ebene, wird von keiner kosmischen Auflösung betroffen, sei sie groß oder klein. Sach Khand ist die Wahre Heimat der Seele!

Diese rein Spirituelle Region wird im Hinduismus Sat Lok, in den Lehren der Sufi Weisen des Islam Muqam-i-Haq – Reich der Wahrheit – und im Sikhismus Sach Khand genannt – der Name, der von den indischen Adepten der Mystik oder den Satgurus verwendet wird. Sach Khand ist jeder physischen, mentalen und vergeistigten Materie bar. Mit den Worten der Adepten der Mystik ist sie unwandelbar und ewig, alle Freude und Glückseligkeit, alle Weisheit und alle Liebe, die Wohnstatt Gottes. Hier weilen in unaussprechlicher Herrlichkeit die Vervollkommneten Geistigen Wesenheiten und die Höchsten Heiligen aller Zeiten.

Guru Nanak sagte:

Hier wohnen die Bhagats oder Weisen aus allen Regionen, Die den Wahren Einen erfreuen und in immerwährender Wonne leben.

In Bhanwar Gupha, dem Bereich unterhalb Sach Khands, gibt es 88 000 Universen und die Bewohner dieser Universen sind alle Anhänger Spiritueller Adepten, die Einlass in diese Region gefunden haben. Jedoch in Sach Khand selbst stehen viele Millionen Sphären unter der gnädigen Herrschaft des Wahren Herrn, und kosmische Inseln des Gesegneten rotieren um diesen Bereich, so wie sich unsere winzige Erde um die Sonne dreht.

Diese Sphären sind die Wohnstätten der Hansas, der reinen Seelen, die niemals in niedere Ebenen hinabgestiegen sind.

Mit den Worten von Guru Nanak:

[…] Sach Khand oder der Bereich der Wahrheit ist der Sitz des Formlosen Einen. Hier erschafft Er alle Schöpfungen, Sich erfreuend im Gestalten. Hier sind viele Regionen, himmlische Systeme und Universen, welche zu zählen das Zählen des Unzählbaren wäre. Hier, aus dem Formlosen heraus, nimmt das himmlische Plateau und alles andere Gestalt an, alles dazu bestimmt, sich zu bewegen nach Seinem Willen. Der, welcher gesegnet ist mit dieser Vision, erfreut sich in ihrer Kontemplation. Aber, o Nanak, dermaßen ist ihre Schönheit, das der Versuch sie zu beschreiben, bedeutet, das Unmögliche3 zu versuchen.

Jap Ji, Strophe 37

Der Herr von Sach Khand ist in der östlichen Terminologie als Sat Purush – das Wahre Wesen – bekannt. Die esoterischen Schriften erklären, dass dieser Herr der Liebe ein Licht ausstrahlt, das dem Licht von Milliarden Sonnen gleichkommt, obwohl auch das noch eine dürftige Beschreibung für Ihn ist, denn Er befindet sich weit über der Ausdruckskraft der menschlichen Sprache oder des Verstandes, als dass man Ihn beschreiben könnte.

Der Sat Purush – die Höchste Offenbarung Gottes – lenkt und kontrolliert die Schöpfung und die Auflösung des gesamten kosmischen Systems der Universen unter Ihm, aber Sein eigenes Reich bleibt unberührt von jedem solchen Wandel. Dieses Wahre Wesen erhält letztlich Seine Kraft vom Höchsten Herrn allen Seins, Der den Adepten der Mystik als Anami Purush – der Namenlose Eine – bekannt ist.

Sach Khand kann in der Sprache dichterischer Vorstellungskraft und sinnbildlicher Darstellung nur unzureichend beschrieben werden, denn die Adepten der Mystik erklären, dass es selbst unmöglich ist, Vergleiche für die allerschönsten Dinge dieser Welt zu geben.

Sach Khand ist die Heimat des Vaters, der Vater wiederum ist der Sat Purush, die Höchste Offenbarung des Namenlosen, und die Seele ist ein Strahl des Sat Purush, von Dem sie vor Äonen ausgegangen ist. Nach den Adepten der Mystik besitzt die Seele, wenn sie dieses Gebiet erreicht, das Licht von sechzehn Sonnen und Monden.

Guru Nanak hat von der Region des Sat Purush in Seiner inspirierten Hymne gesungen:

Wie wunderbar ist Deine Pforte, wie wunderbar Deine Wohnstatt, von der aus Du über Deine große Schöpfung wachst. Zahllos sind die Instrumente und Harmonien, die darin erklingen, zahllos die Takte und zahllos die Sänger, die Deine Herrlichkeit preisen. […]

Jap Ji, Strophe 27

Auch Soami Ji hat den Palast des Sat Purush gleich einer festen Burg von unaussprechlicher Schönheit beschrieben. In Soami Jis Schilderung muss die Pilgerseele den Höchsten Herrn der Liebe auf Seinem Thron finden, wenn sie diese Region erreicht, und sie muss den Herrn der Liebe als den Wahren Herrn des Universums aller Universen erkennen. Soami Ji hat das wundervolle Gelände und die Parks des Vorhofs des Palastes des Sat Purush beschrieben, aber wiederholt gesagt, dass dieser Anblick keinesfalls mit irdischen Worten zu schildern ist.

Auf dieser Ebene befinden sich riesige Reservoire Spirituellen Nektars, von denen Flüsse des Lichts in Fülle ausgehen, um entfernte Regionen mit Spiritueller Nahrung zu versorgen.

Goldene Paläste scheinen über kosmischen Gärten aus silbrigem Licht zu schweben; und die Schönheit der Hansas, der reinen Seelen, die dort leben, ist unbegreiflich.

Die Pilgerseele gelangt weiter bis in die Vorhalle des Palastes des Herrn der Liebe, des Sat Purush, und ein Hansa, der Wache hält, erkundigt sich bei dem Neuankömmling, wie es ihm gelang, diese erhabene Region zu erreichen. Die Seele antwortet, dass sie zu den Füßen eines Adepten der Mystik oder eines Satgurus kam, während sie auf Erden weilte, und der Adept der Mystik ihr das Innere Wissen dieses hohen Reiches vermittelte.

Daraufhin wird die Seele in den Palast geleitet, wo sie einem leuchtenden Lotos von unaussprechlicher Schönheit gegenübersteht. Eine Stimme erklingt aus dem Zentrum des Lichts im Lotos und fragt die Seele, wer sie ist und mit welcher Absicht sie zu dieser Region aufgestiegen ist.

Soami Ji beschreibt die Antwort der Seele folgendermaßen:

Puhap madh Sae uthi avaza kau tum hoe kaho kaja Satgur milae bhed sub dina tis ki kripa daras hum lina Darshan kar ut kar magnani Sat Purush tub bolae bani Alakh lok ka bhed sunaya bal upna dae surat pathaya Alakh Purush ka roop anoopa Agam Purush nirka kul bhoopa Dekh achraj kaha na jaye Kaya kaya sobha varan paye.

Vom Lotos erhob sich eine Stimme:

Sprich, wer bist du, und was bringt dich hierher?

– Mein Satguru gab mir den Schlüssel zu diesem Reich, und durch Seine Gnade bin ich mit Deinem Darshan gesegnet.

Den Herrn schauend, war sie versunken in Verzückung; alsdann sprach der Sat Purush, die Geheimnisse von Alakh Lok hervor- gebend und durch Seine eigene Kraft erhob Er sie weiter empor. Die Form von Alakh Purush trotzt jeder Beschreibung; Agam Purush, der Herr aller Schöpfungen, Sein wundersamer Anblick kann nicht beschrieben werden und Seine Glorie kann nicht in Worten wiedergegeben werden ...

Bachan 26, Sar Bachan

Sodann wird der Seele enthüllt, dass sie sich wahrhaftig in der Gegenwart des Sat Purush befindet, Den sie hier als die Spirituelle Kraft wiedererkennt, die den Adepten der Mystik auf Erden und in den niederen Spirituellen Bereichen beseelte. Nun erfreut sich die Seele ihres Glücks und empfindet durch die Spirituelle Schau des Herrn der Liebe große Wonne.

Dann unterrichtet der Höchste Herr der Offenbarung die Seele über die Mysterien der höheren Regionen, und mit Seiner Liebeskraft hilft Er ihr beim weiteren Aufstieg durch diese Bereiche.

Die Adepten der Mystik haben gesagt, dass die Musik von Sach Khand mit einer Binavergleichbar sei. Alle Spirituellen Meister, Die von Sach Khand sprachen, haben den hinreißenden Zauber dieser Musik bezeugt. So wie seine himmlische Musik, ist das Licht von Sach Khand mit weltlicher Sprache nicht zu beschreiben, selbst nicht mit dem Licht von Milliarden von Sonnen.

Der Adept der Mystik, der die höher strebende Seele in die Mysterien des Jenseits initiierte, hat die Pflicht, sie sicher in ihre Wahre Heimat Sach Khand zu geleiten. Danach flößt der Sat Purush der Seele Seine Göttliche Energie ein und entsendet sie in die höheren Regionen von Alakh Lok – die unbeschreibliche Region –, Agam Lok – die unvorstellbare Region – und Anami Lok – die namenlose Region, die der Höchste Spirituelle Bereich von allen ist. In Anami Lok gibt es weder Licht noch Ton, keine Dunkelheit oder Stille. Der Aspirant kann im Grunde nur die Idee von Sach Khand als dem Höchsten Spirituellen Bereich begreifen. Es ist wirklich eine Region reinen Geistes und die Wahre Heimat der Seele. Sie ist die Höchste Offenbarung Gottes.

Nichtsdestoweniger sprechen die Adepten der Mystik von drei höheren Bereichen jenseits Sach Khands, obwohl sie es für völlig zwecklos halten, Beschreibungen oder Erklärungen über diese Bereiche der Spiritualität abzugeben.

Es genügt zu sagen, dass die Seele durch die Gnade des Sat Purush veranlasst wird, die nächste Spirituelle Region von Alakh Lok zu betreten und dann zum kosmischen Palast des Alakh Purush gelangt, des Regenten dieses Reiches.

Wenn die Seele den Darshan des Alakh Purush erhalten hat, geht sie weiter nach Agam Lok, wo sie den Herrscher dieser Region erblickt, den Agam Purush und Seinen Darshan empfängt. Wieder bemühen sich die Adepten der Mystik, den Glanz dieser Regionen mit dem Lichte von Milliarden und Abermilliarden von Sonnen zu beschreiben. Was die letzte Region von Anami Lok betrifft, bewahren die Adepten der Mystik Schweigen.

Mit wenigen Worten hat Soami Ji gesagt:

Bei jedem Schritt erblickt die Seele unbekannte Dinge, die nicht mit menschlicher Sprache beschrieben werden können. Jede Region und alles ist ganz und gar unbeschreiblich. Welche Schönheit und Herrlichkeit! Wie kann ich sie beschreiben?

Es gibt hier nichts, um eine Vorstellung davon zu vermitteln. Ich bin hilflos!

Die Seele hat nun den regierenden Herrn jedes Spirituellen Reiches jenseits von Sach Khand erblickt und hat ihr Sein mit Ihnen vereint. Das ist das Höchste Gut auf dem mystischen Pfad der Liebe, denn die Adepten der Mystik haben gesagt, dass die Liebe die stärkste Kraft in diesen Heiligen Regionen sei.

Als Er über Anami Lok befragt wurde, sagte Soami Ji einfach:

Es ist alle Liebe!

So führt auf dem mystischen Pfad der Liebe das Zusammenwirken des Adepten der Mystik und des Shabd zu jivan mukti oder Spiritueller Befreiung und zum Aufstieg der Seele in ihre Wahre Heimat.

Wenn der Spirituelle Aspirant die Gebote des Adepten der Mystik gläubig erfüllt und immer den Weg der Liebe geht, kann diese Spirituelle Befreiung in einem Leben vollbracht werden. Der Aspirant wird die immerwährende Symphonie der Liebe hören, und er wird erkennen, dass sein Wahres Selbst und das Göttliche Wort ein und dasselbe Wesen sind.

Diese Musik ist so herrlich, dass das Geschwätz des sündigen Gemüts zur Ruhe kommt und der Brennpunkt der Seele sich vollkommen im hörbaren Lebensstrom vertieft und dadurch über die Ebenen von Gemüt und Materie hinausgezogen wird.

Während sich der Aspirant in die höheren Lebensbereiche erhebt, entdeckt er, dass dies in der Tat die einzig Wahre Freiheit ist, nach der ein menschliches Wesen verlangen kann. Es ist die Freiheit von den Bindungen an sein niederes Selbst, den Ängsten, Fantasien und Hassgedanken, von seinen Neigungen und Träumen, die ihn heimsuchen, wenn er die lange Straße der wiederkehrenden Geburten und Tode beschreitet.

Der Mensch kann auf dieser physischen Existenzebene niemals wirklich frei sein, weder als einzelner Mensch noch in der Gemeinschaft. Nur wer das höhere Spirituelle Bewusstsein erlangt, hat die Freiheit im vollkommensten Sinn des Wortes gewonnen; indem er sein tatsächliches Geburtsrecht in Anspruch nimmt.

Die befreite Seele kann nie wieder von den trügerischen Gelüsten des niederen Selbst oder durch die Machenschaften jener, die glauben, dass sie die vergängliche Welt der Menschen durch ihre eigene Macht beherrschen, versklavt werden.

Das Spirituelle Bewusstsein ist sowohl die Ursache als auch der Höhepunkt menschlicher Entwicklung, und seine Natur ist mit Worten nicht zu beschreiben, die nur erdachte Symbole menschlicher Vorstellungskraft sind, denn es ist wirklich ein wortloser und zeitloser Zustand der Glückseligkeit.

Wer dieses Spirituelle Bewusstsein erlangt hat, weiß im Innersten seines Wesens, dass er ein freier Geist ist, der in den Ewigen Bereichen Spiritueller Freiheit lebt. Er hat sich mit der himmlischen Melodie des Geistes erhoben, wie Guru Nanak berichtet:

Durch die Praxis des Wortes erhebt man sich ins Universale Bewusstsein und entwickelt rechtes Verstehen; durch die Praxis des Wortes gelangt man zu Hellsichtigkeit und Übersicht über die ganze Schöpfung; durch die Praxis des Wortes wird man von Sorgen und Leiden befreit […].

Jap Ji, Strophe 13

Wenn der Spirituelle Aspirant einmal das physische Bewusstsein überschritten hat, wird er sich dieser klingenden Kraft des Universums voll bewusst. In den Inneren Bereichen werden ihre strahlenden Klänge als ein zauberhaftes Mosaik feinstofflicher Energien, klingender Lichter und leuchtender Töne erfahren.

Wie Kabir gesagt hat:

[...] Die natürliche, Innere Musik strömt unaufhörlich aus sich selbst, aber nur eine seltene Seele weiß von dieser Gemeinschaft, […] der Wahre Simran besteht im dauernden Abstimmen der Seele mit der Inneren Musik, ohne jede äußere Hilfe […]. Er, der mit dem verborgenen Kronjuwel in Verbindung kommt, ist unser Wahrer Freund.

Kabir

Spiritualität / Was sie ist (Übersetzung aus der
englischsprachigen Erstedition, 1959) –
XV. / (iii) Sat Naam,
von Kirpal Singh, 1894–1974

Durch die Verbindung mit dieser Inneren Musik verliert der Aspirant Seine niedere Identität und wird schließlich Eins mit Gott. Obgleich Er weiter die Ihm zugemessene Zeit in dieser Welt verbringt, ist Er in der Welt, doch nicht von ihr, denn Er ist ein jivan mukti, ein befreites Wesen.

Er ist nicht länger ein unfähiger Sklave des Gemüts und der Sinne, sondern in der Wahren Gottheit gefestigt. Er lebt für Ewiges Göttliches Licht des Geistes und lauscht fortwährend auf die Göttliche Musik in Seiner Seele. Schließlich kehrt Er nach Sach Khand zurück, der Wohnstatt der Seligkeit oder Muqam-i-Haq, der Quelle des tönenden Lichtes und der Seele selbst. Jetzt ist der Aspirant eine bewusste und befreite Seele.

Das ist Wahre Erlösung, der Höchste und Vollkommenste Zustand des Seins.

Jene, die von dieser Kraft hören oder sich Ihr annähern, werden weder sterben noch wiedergeboren werden. Denn diese Kirpal-Kraft ist das Große Meer der Barmherzigkeit und ist daher manifestiert in der ganzen Schöpfung.

Guru Granth Sahib

Die Kraft ist immer nur Eine, wirkt jedoch den Bedürfnissen der Zeit entsprechend unterschiedlich. In den Kompetenten Meistern der fünften Region ist Sie fünfzig Prozent offenbar. Guru Gobind Singh gab den Hinweis, dass Er Zugang zur siebten Region Agam Lok hatte. Jetzt, während dieser gesegneten Zeit – zum Wandel vom Eisernen ins Goldene Zeitalter – wirkt Sie hundert Prozent, ist Sie voll offenbar. Für euch ist das Goldene Zeitalter da, denn wann immer die Allmächtige Kraft Selbst kommt, ist es für den Schüler das Goldene Zeitalter, nach Hause zurückzugehen. Alle anderen Zeitalter waren nur die vorbereitenden Zeitalter für die Seele, damit sie nun mit der Allmächtigen Kraft in Verbindung kommt. Diese Gelegenheit ist jetzt die Höchste, denn es ist der kürzeste Weg zurück zu Gott. Kein Meister ist notwendig, wenn die Allmächtige Kraft Ihr Werk ausführt.

Also kommt nun der Frühling über uns herein. Es werden jetzt mehr duftende Heilige sein, würde ich nun sagen, Welche hervortreten werden und uns durch die Gnade Gottes eine Verbindung mit der zum Ausdruck gelangenden Gotteskraft gewähren werden. Und das ist die Revolution, die Spirituelle Revolution, die aufkommt – ein allgegenwärtiges Erwachen.

Satsang –
Die kommende Spirituelle Revolution,
gehalten von Kirpal Singh,
Dezember 1972, South-Florida

Frage an Kirpal Singh: 

Wer wird Dein Nachfolger sein?

Antwort von Kirpal Singh: 

Gott sucht den Pol, in Dem Er Sich offenbart, ich wünschte, ihr würdet alle meine Botschafter der Wahrheit sein.

*****

Keiner vor mir hat euch so gebeten und keiner nach mir wird es tun und Mitleid für euch empfinden, wie ich es habe. Bitte, bitte, vergesst mich nicht!

Meine Aufgabe ist es, euch die Einheit zu enthüllen, die bereits in allem liegt.

Erwache, o Mensch, gewinne deine Gottheit zurück, ehe es zu spät ist.

Wenn ihr eure verlorene Gottheit wieder erlangt habt, werdet ihr das rechte Verstehen haben, dass ihr alle Eins seid.

Kirpal Singh

_______________

Quellenhinweis: Dieses Kapitel basiert auf dem Text ‚Der letzte Weg‘, von Dr. George Arnsby Jones, veröffentlicht in der deutschsprachigen Ausgabe von Sat Sandesh / September–Oktober 1977. Weiterführende Zitate und Einfügungen erfolgten durch den Herausgeber.

Erläuterung: 1) Sita: Gemahlin Ramas, die für ihre große Ergebenheit bekannt war. 2) Das Wort ‚Täuschung‘ bezieht sich hier auf die Täuschung durch Maya oder die Materie. 3) Karara Sar: bedeutet wörtlich ‚hart wie Eisen‘, bildlich ‚unmöglich‘. 4) Kirpal Singh schreibt über den Ton der Bina:

Er ähnelt ein wenig dem Ton des Instruments, welches die Schlangenbeschwörer gewöhnlich gebrauchen, um die Schlangen zu fangen. Seine Weise ähnelt der einer Flöte – der Unterschied ist, dass der Ton der Flöte grell ist, im Vergleich mit diesem der Bina – genauso wie der Ton der Violine grell ist, im Vergleich mit dem der Flöte – und der Ton steigert sich in Volumen und wird dichter und beständiger, wenn die Seele höher steigt. Es ist ein beständiger Ton, der dem eines Dudelsacks ähnelt.
Auszüge aus Briefen bezüglich Meditation
– XVI Die verschiedenen Inneren Töne,
von Kirpal Singh, 1894–1974