Die Funktionsweise des Gebetes

Unsere Sünden im Gebet zu bekennen und zu glauben, dass sie dadurch weggewaschen oder beseitigt werden, ist ein Fehler. Diese Art von Irrtum hält uns von der Wahren Spiritualität fern. Unsere Sünden werden uns nur vergeben, wenn der Herr oder der Meister sie vergibt. Tatsächlich können solche Gebete zur Ursache des Bösen werden. Ein Mensch mag solche Gebete darbringen und dann weiter Sünden begehen, ohne zu zögern. Und die ganze Zeit über fährt er fort, unter dem falschen Eindruck zu beten, dass seine Sünden als Ergebnis seiner Gebete vergeben werden.

Der Meister kommt, um die Menschen zu überzeugen, die Sünde aufzugeben und um sie mit dem Herrn zu vereinen. Unsere Pflicht ist (es), in Übereinstimmung mit Seinen Wünschen zu handeln und alle bösen Taten aufzugeben – welche weltlich sind. Wir können auf diese Weise uns selbst vor Sünden bewahren und uns – durch die Praxis von Naam und die Erinnerung – mit dem Herrn vereinen. Die Liebe zum Herrn und zum Meister reformiert uns und lässt uns dem Weg des Herrn folgen. Der Mensch mag verzeihen, aber es ist die alles durchdringende Kraft des Meisters, welche einen Sünder letztlich reformiert.

Wie können wir wahrhaftig werden, wie wird die Kette der Unwahrheit durchbrochen werden? O Nanak, es steht geschrieben, dass des Meisters Wille befolgt werden sollte.

Zum Herrn um Vergebung zu flehen und zu denken, dass wir dann weitere Sünden begehen können, ist ein Fehler. Krankheiten sind Strafen für Sünden. Wenn es eine Sünde gegeben hat, kann sie nur gesühnt werden, indem man sich einer angemessenen Bestrafung unterzieht. Die Grundursache aller Sünden ist, sich selbst mit dem Körper zu identifizieren. Solange wir uns nicht über körperliche Betrachtungen erheben, verschwinden die Gedanken an Sinnesfreuden und das Verlangen, sie zu genießen, nicht.

Manch ein Suchender gerät in Schwierigkeiten, weil seine Suche nach Vergnügungen zu Krankheit führt. Das Verlangen nach Vergnügungen vergeht nicht, ohne sich Seinem Willen zu unterwerfen. Bis dahin irrt man umher.

Maru M1, 1034-16

Zu denken, dass Seine Barmherzigkeit von Bitten abhängt, die durch (das) Gebet vorgebracht werden, ist ein Irrtum. Er vergibt oder bestraft nicht als ein Resultat dessen, ob wir um Vergebung bitten oder nicht. Dies bedeutet, das Gebet zu einem Instrument zu machen, das die Begehung von Sünden erlaubt. Der Meister handelt mit großer Umsicht und Rücksicht. Einerseits vergibt Er Sünden, andererseits hält Er den Schüler davon ab, sie in Zukunft zu begehen, damit er sauber und rein werden kann.

Das Gebet kann das Prinzip der Wahrheit nicht ändern, noch kann es einen befähigen, sie zu verstehen. Es ist durch die Anziehungskraft der inneren Liebe und Sehnsucht und durch das Befolgen der Anweisungen des Meisters, dass wir zur Wahrheit geführt werden. Unsere Gebete, um die Wahrheit zu verstehen, müssen nicht laut ausgesprochen werden. Solche Gebete können mental ausgeführt werden oder indem wir angemessen und in Seinem Willen leben.

Der Zweck des Gebets ist es, uns dahin zu führen, nach den Wünschen des Herrn zu handeln. Wir sind schwach und kraftlos. Wir möchten den Herrn mit Hilfe der Barmherzigkeit und Kraft des Meisters erreichen. Auch wenn wir bei jedem Schritt fallen mögen, hilft uns diese Kraft. Es ist ein Gesetz der Spiritualität, dass, wenn ein Schüler einen Schritt auf dem vom Meister aufgezeigten Weg macht, der Meister hundert Schritte macht, um ihm zu begegnen. Er ist der Gewährer aller Wohltaten. Er ist über alles Lob erhaben und unbegreiflich. Er ist unsterblich und grenzenlos.

Wenn du einen Schritt machst, um Zuflucht zum Meister zu nehmen, begegnet dir der Meister auf dem Weg, indem Er Hunderte von Schritten macht. Wenn du dich nur einmal an den Meister erinnerst, erinnert sich der Meister immer wieder an dich. Selbst wenn deine Hingabe so klein ist wie ein Fragment einer Kaurimuschel. Der Meister überschüttet dich mit allen Wohltaten. Der Meister ist allbarmherzig, Sein Lob ist jenseits des Begreifens; ich verneige mich immer wieder vor dem Einen und Unbegreiflichen Meister.

Bhai Gurdas Ji

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Fußnote: