Da die Heiligen nicht wollen …

28. Juli 1919

Liebe Tochter,

deinen Brief habe ich erhalten. Ich freue mich, dass ihr die Spirituellen Instruktionen an Mrs. … weitergegeben habt. Ihr hattet dabei zwar beträchtliche Unannehmlichkeiten, doch niemand außer euch hätte dies sonst tun können. Diese eure gütige Tat wird sehr gewürdigt, und es kann wirklich keine größere Nächstenliebe geben, als eine Seele aus dem Bereich von Kal Purush herauszuführen und ihr den Weg zu zeigen, der zu Dayal Purush führt. Es war sehr gut, dass ihr eure Zeit Mrs. … und Mr. … gewidmet habt. Sie haben beide an mich geschrieben und ich habe ihnen geantwortet. Mrs. … scheint eine sehr empfängliche Seele zu sein, und es ist zu hoffen, dass sie auf der Spirituellen Reise Fortschritt machen wird. Mr. … zeigt Entschlossenheit und Ausdauer, was sehr wichtig ist, denn der Fortschritt auf diesem Pfad hängt von der Liebe und dem Vertrauen ab; und solange beides nicht entwickelt ist, kommt man kaum voran.

Was Mrs … angeht, so hat sie ein schwieriges Karma. Doch da die Heiligen nicht wollen, dass sich ihre Schüler wieder in diese Welt inkarnieren müssen, sollte ihr Karma in dieser Geburt weggewaschen werden. Es besteht kein Zweifel, dass sie große Schwierigkeiten hat. Dennoch muss die Schuld des Karmas abgezahlt werden, sonst wäre das die Ursache für eine weitere Geburt. So, wie eine Mutter ihr Kind zum Chirurgen bringt, damit sein Geschwür geöffnet wird und es nicht ihre Absicht ist, ihrem Kind Schmerzen zu bereiten, sondern ihm die völlige Gesundheit zu bewahren, so kann das Kind nicht genesen, ohne Schmerz zu erdulden. Dasselbe gilt im Fall von Mrs. … . Bitte unterstützt sie, damit sie nicht den Mut verliert, sondern ihre Krankheit mit Geduld und Gleichmut erträgt und dies alles hinnimmt, weil es nur zu ihrem Besten ist.

Du schreibst, dass dein Ehemann und du selbst, obwohl ihr gemeinsam denselben Weg geht, verschiedene Erfahrungen habt. Das ist richtig. Obwohl ihr beide denselben Weg geht, ist euer Karma doch verschieden. Und deshalb sind auch Erfolg oder Stillstand auf der Spirituellen Reise bei euch beiden verschieden. Obgleich vieles von deinem Karma jenem deines Ehemannes ähnelt, ist dies dennoch nicht bei allem der Fall, und daher kommen dann auch die Unterschiede auf eurer Reise. Wenn also z.B. die Frau krank ist, ist das nicht unbedingt auch beim Mann der Fall – das Karma von beiden ist eben verschieden.

Die Einstellung, die du hattest, als du die Spirituellen Instruktionen weitergegeben hast, war richtig. Wenn die vorgeschriebene Sitzhaltung unbequem ist, dann kann man auch in einem bequemen Sessel sitzen, die Hände in der vorgeschriebenen Haltung, oder man kann sich niederhocken und eine hölzerne Stütze verwenden, um die Ellbogen zu unterstützen. Mrs. … muss die vorgeschrieben Haltung nicht unbedingt einnehmen, sondern sag ihr, dass sie stattdessen eine bequeme Haltung in ihrem Sessel oder im Bett einnehmen soll, während sie ihre Aufmerksamkeit dem Ton zuwendet. Die Sache ist nur die, dass eine einmal eingenommene Haltung während einer Sitzung nicht verändert werden soll.

Ich finde es sehr gut, dass es dir nichts ausmacht, dich von der Gesellschaft fernzuhalten. Warum sollten wir uns in Geselligkeiten und die Dinge dieser Welt verlieren, da sich uns gegenüber niemand, außer dem Heiligen Ton und dem Meister, als Freund erweist und da uns zur Zeit des Todes niemand sonst hilft? Geselliges Beisammensein und weltliche Dinge sind nur zu unserer Bequemlichkeit da, und deshalb sollten wir sie zwar nutzen, wenn wir das so wollen, sollten ihnen aber nicht abgöttisch anhängen. Wahre Entsagung ist von der Haltung des Gemüts abhängig. Von jemandem, der sein Gemüt frei von der Welt hält – während er in ihr lebt und seine Arbeit verrichtet – kann gesagt werden, dass er der Welt entsagt hat. Auf der anderen Seite sollte jemand, der in der Einsamkeit lebt, aber ein Gemüt voller weltlicher Wünsche hat, als ein weltlicher Mensch bezeichnet werden.

Dein Wunsch, Indien zu besuchen, ist willkommen. Was ich aber dabei wünsche ist, dass du dazu deine physischen Hände, deine Füße und deinen Körper nicht brauchst, sondern ohne Füße reist, ohne Zunge sprichst, ohne Augen siehst und ohne Ohren hörst, und dass du – während du zu Hause sitzt – nicht nur Indien besuchst, sondern ganz Brahmand. Wenn du Indien mit dem physischen Körper besuchst – was soll’s – wenn du nicht jenseits dieser Welt gelangst? Wenn du aber entgegnest, dass du nach Indien kommen willst, um deinen Meister zu sehen, dann solltest du beachten, dass der physische Körper nicht die Wirkliche Gestalt des Meisters ist. Er ist nur ein Gewand, das Er in dieser Welt angezogen hat und hier wieder ablegen wird. Die Wahre Form eines Meisters ist der Heilige Ton, und in jener Form durchdringt der Meister jedes einzelne Haar an deinem Körper und hat Seinen Wohnsitz in dir. Wenn du hinter den Augenbrennpunkt gehen wirst, dann wird dir der Meister in Seiner Strahlenden Form begegnen, und wenn du Trikuti erreichst, wird dich der Meister in Seiner Form als Tonstrom sogar nach Sach Khand hinauf begleiten. Fliege aufwärts, auf den Schwingen des Glaubens und der Liebe, damit du jeden Tag mit Ihm sprechen und immer bei Ihm sein kannst.

Dies wird nach und nach kommen, du brauchst deswegen nicht zu verzweifeln. Meditiere regelmäßig und eines Tages werden all diese Kräfte dein sein, und du wirst deine Wahre Heimat erreichen.

Mit herzlichen Grüßen

Sawan Singh