In dieser Strophe entwickelt Guru Nanak ein Paradox, dass in Strophe IV berührt wurde, noch ausführlicher. Man kann durch Beachten bestimmter äußerlicher Handlungen nicht die Vereinigung mit Gott erlangen – zum Beispiel durch das Lesen der Schriften, das Aufsagen von Gebeten, durch Wallfahrten, Schweigen, Fasten und Nachtwachen, oder durch Ausüben von Riten und Ritualen; dies alles bildet nur einen Teil von Apara Vidya, das den Boden bereitet, um Interesse für das höhere Leben zu erzeugen und Hingabe zu entwickeln. Man mag den besten Gebrauch davon machen, aber die äußeren Werke können nicht zur Erlösung führen. Sie sind, für sich genommen, bedeutungslos. Worauf es ankommt, das ist Sein Gnadenblick. Hat man Ihn erlangt, dann ist man wahrlich gesegnet. Und dennoch, wenn auch die Erlösung allein von Gottes Liebe abhängt, so lasst uns nicht träge sein. Ein müßiges Leben kann zu nichts führen, denn Gott hilft jenen, die sich selbst helfen. Ohne Zweifel wird Erlösung durch Gnade erlangt, aber dieser Gnade muss man sich erst wert machen. Der einzige Weg, es dahin zu bringen, ist, dem Pfad zu folgen, der durch einen Wahren Meister gelehrt wird. Indem wir uns des Göttlichen Plans bewusst werden, machen wir Seinen Willen zu dem unseren.

Strophe VI

Wenn ich nur Ihm gefalle, ist´s der Pilgerfahrt genug, wenn nicht, sind weder Riten noch Mühen von Nutzen. Wohin ich auch immer schaue, sehe ich, dass in Seiner Schöpfung keiner ohne Seine Gnade die Erlösung fand – ungeachtet aller Karmas1. Du kannst in dir ungeahnten Spirituellen Reichtum entdecken, wenn du nur den Lehren deines Meisters folgst. Mein Meister2 lehrte mich das eine: Er ist der Herr von allem, möge ich Ihn niemals vergessen.

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Erläuterung: 1) Karma: Handlungen. Dieser Begriff bezieht sich im indischen Denken auf eine sehr komplizierte Hindu-Lehre. Sie hebt die Überzeugung hervor, dass unsere gegenwärtigen Handlungen unsere Zukunft bestimmen und dass nicht nur in diesem Leben, sondern auch im künftigen. Es gibt keinen Zufall. Der Mensch handelt, infolge einer Kettenreaktion von Ursache und Wirkung. Obgleich Spirituelle Erlösung nicht ohne Gnade möglich ist, sagt Guru Nanak, dass wir uns diese Gnade dennoch durch unsere Karmas oder Handlungen in diesem oder den vorangegangenen Leben verdienen mussten. 2) Meister: Dieser Begriff findet sich oft im Jap Ji und wird häufig in den Sikh-Schriften gebraucht. Er bezeichnet einen spirituellen Lehrer; und immer, wenn Nanak Ihn anwendet, meint Er damit nicht irgendeinen, der sich zum spirituellen Führer aufgestellt hat, vielmehr einen, Der auf der Spirituellen Reise die Höchste Ebene erreicht hat und nicht mehr vom Allmächtigen getrennt ist, sondern zu Seinem Sprachrohr wurde.