V / (ii)

Vorteile, die sich aus der Inneren Verbindung der Seele mit Naam oder dem Surat Shabd Yoga ergeben

Diese Segnungen können nach physischen, moralischen, mentalen und Spirituellen Gesichtspunkten eingeteilt werden.

Naam hält Körper und Gemüt in einem Zustand der Ausgeglichenheit. Seine Ergebenen haben vollkommenen Frieden und die Verästelungen des Gemüts werden für alle Zeiten beseitigt. Alles Begehren verliert seinen Einfluss auf das Gemüt. Der Verstand wird beruhigt, er setzt der verheerenden Hast ein Ende, und damit schwinden alle nervösen Spannungen und alle mentalen Mühen und Belastungen. Naam verleiht Immunität gegen alle körperlichen und weltlichen Leiden und Sorgen. Wenn man die Aufmerksamkeit nach innen zurückzieht, wird das Gemüt ruhig, und die Seele wird von allen mentalen Konflikten frei. Selbst die Ichsucht – die älteste Krankheit des Menschen – verliert sich in nichts, und damit nimmt der beständige Tanz des Kommens und Gehens in dieser Welt ein Ende. Der Prozess der Seelenwanderung ist nur der natürliche Begleitumstand des selbst bestimmenden Willens oder der Ichsucht.

Guru Arjan sagt darum:

Immer wenn man glaubt, dass das kleine Ich die Dinge tut, nimmt man die nie endende Rolle eines immer-aktiven Handelnden an, der für sein Tun verantwortlich ist, und verfängt sich in dem verwickelten Netz der Seelenwanderung.

Guru Arjan, Gauri Sukhmani M5

Das einzige Mittel, um diesem endlosen Zyklus der Geburten und Tode zu entgehen, ist somit das Ausmerzen des Ego. Es ist ein eindeutiger Prüfstein derjenigen, die das Einssein mit der Ewig-Existierenden Gottheit, dem Spirituellen Strom, der die Welt durchdringt, verwirklicht haben. Alle unternommene Arbeit, die der gänzlichen Selbstauslöschung dient, ist darum ein Bemühen in der rechten Richtung. Man nennt es Loslösung der Seele von den Wechselfällen des Lebens oder Befreiung von allem, was weltlich ist. Mit einem Wort, das Geheimnis liegt in der Entpersonifizierung der Seele von allem, was an ihr persönlich ist, denn dann trifft man die Wurzel allen Übels. Die Empfehlungen, welche für dieses Verlieren des Ich-Bewusstseins heutzutage die Welt überfluten, lassen uns das Ziel, die Befreiung, nicht erlangen. Denn mit solchen Methoden nährt sich nur das Ego und wird immer stärker, ohne dass es ausgelöscht würde. Solange man nicht ein bewusster Mitarbeiter am Göttlichen Plan ist, kann man nicht selbstlos werden.

Die bloße Tatsache, dass wir da sind, erweckt den Wunsch in uns, den Lebensvorgang zu begreifen. Wieso und woher sind wir gekommen, und was geschieht nach dem Tode, ist die Frage. Die Entdeckung der Evolutionstheorie durch die moderne Wissenschaft befriedigt uns nicht ganz, denn sie befasst sich nur mit dem Physischen und gibt keine Rechenschaft über die höheren Schöpfungsebenen, das heißt über die Spirituellen Bereiche. Die alten Weisen erkannten, dass es keine Evolution ohne Involution geben kann. Die Wahrheit dessen, dass nichts aus dem Nichts kommen kann, beweist, dass die Involution der Evolution vorausgeht. Um die Letztere zu erkennen, müssen wir die Erstere verstehen; so wie wir die Ursache kennen müssen, damit wir um die Auswirkung wissen. Beides ist voneinander untrennbar.

Der grobstoffliche Körper ist nicht alles. Er hat noch zwei andere, feinstoffliche Körper in sich, den astralen und den mentalen, die aus feinerem und weniger zerstörbarem Stoff zusammengesetzt sind. Diese Körper bestehen aus Gemüt, Intellekt und dem Sinn des kleinen Ego Ich. In ihnen sind alle in den verschiedenen Lebensläufen gesammelten Eindrücke aufgespeichert. Nur wenn man den Inneren Menschen studiert, kann man das Geheimnis der Evolution verstehen. Die Seele kämpft ständig, um die Bindung an die Materie und das Gemüt von sich abzuschütteln und sich zu Gott emporzuschwingen, von Dem sie ausgegangen ist. Dieser Kampf kann nur ein Ende finden, wenn sie sich über die drei Regionen – die physische, astrale und kausale – erhebt und jeden Sinn für die Ichheit verliert, der die Ursache der Seelenwanderung ist.

Huxley sagt:

Wie die Lehre der Evolution selbst, so hat auch die Seelenwanderung ihre Wurzeln im Bereich der Wirklichkeit. Nur übereilige Denker werden dies mit der Begründung der ihr anhaftenden Vernunftwidrigkeit ablehnen.

Das Auslöschen des Ich kann nur durch die Verbindung mit Shabd, dem Wort, vollbracht werden, wie es durch den Meister dargelegt wurde; ein anderes Mittel gibt es nicht.

Er sagt:

O Nanak! Durch die Gnade des Meisters wurden wir errettet, und das Ego wurde in der Verbindung mit Shabd (dem Wort) verzehrt.

Guru Amar Das, Wadhans War M3

Die ganze Welt wird in der Ichsucht verzehrt – so geht sie immer durch den Zyklus der Geburten und Tode. Die Unwissenden, jene, die dem kriecherischen Wesen des Gemüts verhaftet sind, erkennen Shabd nicht. Sie werden als Entehrte in die andere Welt gehen.

Guru Amar Das, Sri Rag M3

Die ganze Welt geht irre in der selbstischen Behauptung ihrer Ichheit. Ohne Shabd (das Wort) gibt es keine Befreiung vom Ego. O Nanak, durch die Verbindung mit Naam wird das Ego ausgelöscht und Einssein mit dem Wahren Herrn erreicht.

Guru Amar Das, Asa M3

Die ganze Welt liegt in den Banden von Freude und Leid, und all ihr Tun wird durch die Ichsucht beeinflusst und gelenkt. Ohne Shabd (das Wort) hört der Aberglaube nicht auf zu bestehen, und das Ego kann nicht vergehen.

Guru Amar Das, Sri Rag M3

Alle Wunschhaftigkeit und alle Gebundenheit wird durch Shabd aufgelöst. Der Gurumukh findet das himmlische Licht im Innern.

Guru Nanak, Ramkali M1

Wahrer Innerer Verzicht gelingt nur durch die Verbindung mit Shabd. Die Natur mit all ihren dahinschwindenden Reizen verfehlt, auf den Entsagenden anziehend zu wirken. Wenn man alles aufgibt, dringt man in den alles durchdringenden Geist ein. Die Fesselung an die Umwelt wird zunichte, und die Bindung an die Materie hört auf. So erwarten den Menschen keine weiteren Geburten und Tode mehr. Das Sinnenleben und der Zauber der Welt faszinieren ihn nicht mehr auf seinem Weg zu Gott.

Der Meister sagt:

Durch die Sättigung mit dem Wahren Shabd (Wort) entsagt der Mensch wirklich der Welt, und sein Kommen und Gehen nimmt eine Ende.

Guru Amar Das, Maru M3

Diese Loslösung aus der Gebundenheit wird ebenfalls allein mit Hilfe von Shabd erlangt. Was immer einer tut, ist dann nur im Sinne der Pflichterfüllung getan und ohne Bindung an die sich daraus ergebenden Früchte. Die Grundursache allen Elends beruht auf der Tatsache des Verhaftetseins des Menschen. In unserer Unfähigkeit, uns von allem loszusagen, werden wir durch alles, was wir tun, gefangen gehalten. Wir müssen uns die Kraft, von allen Dingen losgelöst zu bleiben, vorbehalten, seien sie auch noch so kostbar oder mögen wir auch noch so sehr nach ihnen verlangen.

Arbeite unaufhörlich, arbeite, ohne an die Frucht gebunden zu sein. Lerne so das Geheimnis der Arbeit kennen.

Bhagavad Gita

Was ist es, das uns zu der Kraft, uns loszulösen, verhilft? Nichts anderes als die Verbindung mit Shabd.

Der Meister sagt darum:

Nur der ist wahrlich ungebunden, der sich mit Shabd verbindet.

Guru Arjan, Majh M5

Und wieder:

Die Seele ist bis zum Rande angefüllt mit dem Lebensstrom, der aus dem Ursprung aller Dinge kommt, was sie von Tag zu Tag feiner werden lässt. Dies setzt sie in die Lage sich auf höhere Spirituelle Ebenen zu erheben, bis sie an ihrem Göttlichen Ziel in Sach Khand angelangt. Hier, über den Grenzen der Zerstörung durch Pralaya (Auflösung) und Maha-Pralaya (Große Auflösung), wird ihr die vollkommene Einswerdung mit dem Formlosen Ewigen zuteil.

Nunmehr ist der Mensch mit allen höheren und übernatürlichen Kräften ausgestattet. Er kennt den Geist der Schriften, als Geheimnis der Einswerdung, des Mysteriums vom Selbst und von Gott und wird so zur Wohnstatt aller Tugenden. Er ist überglücklich zur Todeszeit, ungleich jenen, die dann in schrecklichen Todesqualen liegen; denn er war daran gewöhnt, die Lebensströme vom Körper aus freien Stücken zurückzuziehen. Er wird vor all dem qualvollen Leid, das den Todesprozess begleitet, bewahrt.

Es ist dieser Vorgang des Zurückziehens des Geistes vom physischen Körper, der uns durch alle Heiligen eingeschärft wird, und er ist absolut notwendig für den Sucher, um Zugang zu den höheren Bereichen zu finden.

Guru Nanak sagt:

Erreiche die Heimat, die es nach dem Tode zu erreichen gilt, bei Lebzeiten durch das Zurückziehen des Geistes vom Körper.

Guru Nanak, Sri Rag M1

Nanak, stirb (ziehe den Geist zurück) noch während du lebst; einen solchen Yoga sollst du üben.

Guru Nanak, Suhi M1

Und Dadu erklärt:

Dadu, stirb (ziehe deinen Geist zurück), bevor du tot bist. Alle Menschen sterben auf die gewöhnliche Weise. 

Dadu Ji

Lerne zu sterben, auf dass du zu leben beginnen kannst.

Bibel

Stirb – ziehe deinen Geist zurück –, bevor du tot bist.

Koran

Maulana Rumi hat genau erklärt, was dieser Tod bedeutet, wenn Er sagt:

Stirb o Freund, bevor du tot bist, wenn du das Ewige Leben willst; allein durch einen solchen Tod erreichte Adris (ein Heiliger) den Himmel vor uns. Du hast dich sehr bemüht, aber noch ist der Schleier der Materie nicht entzwei, denn den wirklichen Tod hast du nicht gefunden. Solange du nicht stirbst, kann dein Kommen und Gehen nicht enden. 

Bist du nicht die höchste Sprosse der Leiter erklimmst, kannst du den Gipfel nicht erreichen. Genauso wie einer, der nur 99 Meter Schnur hat, nicht Wasser in seinen Eimer bekommen kann, wenn der Brunnen hundert Meter tief ist. 

Bis du den Geist nicht völlig vom Körper zurückziehst, ist der Zyklus der Geburten und Tode nicht beendet. Lass das flammende Licht deiner Lampe (Seele) sich im Glanz des Morgens verlieren. 

Solange die Sterne nicht verborgen sind, sei versichert, bleibt auch die Sonne außer Sicht. Genauso, o kluger Mensch, tritt der Herr nicht in Erscheinung, solange der Schleier der Materie nicht zerrissen ist. 

Darum wähle den Tod und reiße den Schleier dadurch entzwei. Dieser Tod ist nicht derselbe, der dich ins Grab bringt. Er ist nur ein Zurückziehen des Geistes – eine Umwandlung, um dir ein nach oben ausgerichtetes Leben zu verleihen.

Mustafa sagt zu dem Sucher des Mysteriums:

Er wünscht dich tot zu sehen, damit du das Ewige Leben haben kannst. Auf dass du dich während des Lebens auf Erden bewegst und deine Seele beim Tod himmelwärts fliegt.

Die Seele hat ihre Heimat in den hohen Himmeln; und wenn sie sich einmal zurückgezogen hat, erwartet dich keine Wiedergeburt mehr. Weil er gelernt hat, seinen Geist bei Lebzeiten zurückzuziehen, kann dieser Tod nicht mehr als eine Möglichkeit verstanden werden.

Solange du nicht stirbst, welchen Vorteil kannst du haben? Geh hin und stirb, damit du die Frucht deines Erdenlebens ernten kannst. 

Dies ist das Mysterium vom Sterben vor dem Tod, durch welchen die Gnade des Herrn herabkommt.

Kabir lässt uns wissen:

Der Tod, vor dem die ganze Welt zurückschrickt, ist mir willkommen; ich freue mich darüber, denn er ist ein Vorbote vollkommenen Friedens und Glücks.

Kabir, Shalok Kabir

Eine so befreite Seele geht dem Tod mehr als den halben Weg entgegen. Zur Zeit des Scheidens vom Körper zieht der Mensch die Sinnesströme freudig zurück, denn er hat sich in täglicher Übung daran gewöhnt. Ein solcher Tod ist dann nicht von Leid und Schmerz begleitet, wie es alle anderen im letzten Augenblick erwartet. Die Hindu-Schriften beschreiben den Schmerz beim Verlassen des Körpers als einen von tausend Skorpionen, die alle zusammen zur selben Zeit stechen. Die Moslems vergleichen ihn mit dem Schmerz, der empfunden würde, wenn man ein Dornenbüschel durch den Verdauungskanal vom Rektum bis zum Mund hindurchziehen würde. Natürlich war jeder einmal Augenzeuge der Todesqualen an einem Sterbebett. Zuletzt erlangt er Zugang zur Wohnstatt des Herrn. Somit ist er durch die Verbindung mit Shabd errettet und kompetent, vielen anderen zu den Höchsten Höhen der Spiritualität zu verhelfen.

Die Anwendung dieser Praxis wird Surat Shabd Yoga, Yoga des Tonstromes, die Verbindung mit dem Herrn genannt. Sie ist das einzige wirksame Mittel, das Guru Nanak für die Befreiung der Seele von der Gebundenheit an das Gemüt und die Materie angegeben hat und womit das letzte völlige Einssein mit Gott erreicht wird.

Er sagt:

Lebe in der Welt, unberührt von ihr wie eine Lotosblume, die den Kopf über den schlammigen Teich hält; oder wie ein Wasservogel, der sich in die Lüfte erhebt, ohne dass seine Schwingen vom Wasser benetzt sind. O Nanak, der Surat Shabd Yoga – die Verbindung der Seele mit dem Wort – ist das einzige Mittel, durch welches man sicher über das endlose Meer der Materie gelangen kann – so bring dich in Einklang mit Ihm. Ohne Verbindung mit Shabd (das Wort) kannst du Gott nicht finden, und dein Kommen in die Welt war vergebens. Ohne Shabd kann keiner das Göttliche Ziel erreichen.

Alle Mühe, die darauf verwandt wird, eine Verbindung mit Shabd zu erlangen, ist eine Anstrengung in der rechten Richtung.

So heißt es im Guru Granth Sahib:

Ist man mit Shabd verbunden, hat man den Herrn gefunden. Alles Mühen des Menschen in dieser Richtung ist von Erfolg gekrönt. Es gibt keinen anderen Weg als diesen.