Der Gottberauschte Guru Nanak

Von ganz frühem Alter an liebte Nanak die Meditation. Er pflegte in einen Wald zu gehen und dort lange Stunden in verzücktem Schweigen zu sitzen. Er meditierte gewöhnlich über das große Mysterium des Lebens – in der Tat ein mystisches Geheimnis. Woher kommt das Leben? Wie wirkt es in uns? Wie erhält uns die große Kontrollierende Kraft von Tag zu Tag? Ist es möglich, mit dieser Kraft in Verbindung zu kommen? Das waren die wesentlichen Fragen, die Er Sich Selbst stellte.

Nanaks Vater neigte dazu, seinen Sohn für krank zu halten. Eines Tages rief Er einen Arzt, um Ihn untersuchen zu lassen.

Als der Arzt den Puls fühlte, sagte Nanak:

O Arzt! Ich bin nicht verrückt. Mich haben die Qualen der Liebe zu Gott getroffen. Man nennt mich verrückt, aber ich bin es nicht. Ich bin einfach Gottberauscht.

Nanak floss über vor Gottes Liebe und Herrlichkeit. Er strahlte Gottesliebe an alle aus, die mit Ihm in Verbindung kamen. Er war wirklich das fleischgewordene Wort und wohnte unter uns. Er öffnete das Innere Auge derer, die zu Ihm kamen, und befähigte sie, das Licht Gottes in ihrem Inneren zu schauen. Er war das Licht der Welt, solange Er in der Welt weilte.

Das Licht offenbarte sich in Ihm, und Er leitete die schwankende Menschheit mit diesem Licht. Dieses Licht schwindet niemals, sondern bleibt immer in jedem von uns. Wir müssen die Steinmauer unserer Leidenschaften und Vorurteile, der Trennung und des Sektierertums zerbrechen, um das Göttliche Licht in vollem Glanz zu schauen.

Der Guru mahnte wie alle anderen Meister:

Entzündet das Licht, das in euch ist. Ihr seid die Kinder des Lichts. Seid euch selbst eine Leuchte.

Indien und alle anderen Länder der Welt brauchen des Himmels Licht zu ihrer Führung. Dies war der umfassende Aufruf Nanaks an die ganze Menschheit. Er bot das Wasser des Lebens und das Brot des Lebens (das Licht und Nad) den hungrigen Menschenseelen als Nahrung, denn wenn man dies hat, bleibt nichts übrig, das man braucht. Gott ist Liebe, und die Liebe ist Gott, und der Weg zurück zu Gott geht ebenfalls durch die Liebe. Er war personifizierte Liebe und inspirierte die Liebe in jedermann.

Stets sang Er:

Lehre mich, wie zu leben, Tag und Nacht in Deine Meditation vertieft. Gewähre, o Herr, dass ich niemals an irgendetwas anderes denke als an Dich, und dass ich von Dir singen möge, immer und immerfort.

Wiederum:

O mein Herz! Liebe Gott wie die Lotosblume das Wasser liebt. Je mehr sie durch die Wellen bewegt wird, desto mehr entflammt ihre Liebe. Da sie ihr Leben vom Wasser erhielt, stürbe sie ohne Wasser.

O mein Herz! Liebe Gott, wie der Chatrik (Vogel) die Regentropfen liebt, denn er ist, auch wenn die Bäche voll sind und die Wiesen grün, nicht befriedigt, solange er nicht einen Tropfen Regen erhalten kann.

Und wieder:

Wohin ich auch immer meinen Blick wende, dort bist Du! Getrennt von Dir vergehe und sterbe ich.

Um Gott zu erreichen, lehrt Guru Nanak, muss man den Weg der Liebe gehen. Liebe Gott allein und falls du andere liebst – deine Kinder, Freunde und Verwandte – so liebe sie um Seinetwillen. Habe Verlangen nach Ihm. Entwickle im Inneren ein intensives Sehnen nach Ihm. Und wenn du ruhelos bist aus Sehnsucht nach Ihm, so wisse, dass es nicht lange dauern wird, bis Er sich Dir offenbart. Er war der Prophet des Inneren Lebens und drängte darauf, dass das Innere an den Tag gelegt werden sollte, jedoch nicht in Glaubensbekenntnissen und Dogmen, Riten und Ritualen, sondern in demütigem Dienst an den Armen und Niedrigen. Und dieser Dienst muss inspiriert werden durch die Liebe zu Gott und Naam – dem Geist und der Kraft Gottes.

Nanak sagt:

O Mensch! Wie kannst du frei sein ohne Liebe? Denn das Wort Gottes – das Naam – wird dir in deinem Inneren den Herrn offenbaren und dir den Schatz der Liebe gewähren; Liebe-erfüllt soll der Sucher die Braut des Bräutigams werden!

Erfüllt mit Bhakti, soll der Schüler in der Wahren Farbe der Liebe gefärbt sein. Eine solche Braut wird niemals Witwe, denn sie verbleibt im Satguru! Auf ihrem bloßen Haupt ist das Juwel der Liebe! Und außer dem Bräutigam kennt sie keinen. Erwache! Erwache, o Sucher, erwache!

Entsage der geringen Weisheit des Ego. Liebe-erfüllt denke stets an Seine Lotosfüße! Tue so, wie Er dich zu tun heißt, gib deinen Körper und deine Seele Ihm!

Gib dich selbst hin, so dass du dem Herrn begegnen mögest!

Guru Nanak war ein Wahrer Mystiker und stand in Verbindung mit dem Wort und empfing Seine alles durchdringende großmütige Gnade.

Er rief aus:

Nanak sieht den Herrn in all Seiner Herrlichkeit!

Berauscht von der Liebe zu Gott, blieb Er in einem Zustand beständiger Ekstase.

Einmal bot Babar Nanak eine Schale mit Haschisch an. Der Guru lehnte höflich ab und sagte:

O Herrscher, die Berauschung durch diese Substanz ist nur von vorübergehender Natur, aber ich bin stets in einem Zustand Göttlicher Trunkenheit unter dem mächtigen Einfluss des Heiligen Naam.

Für die Meditation schrieb Nanak einen regelrechten Plan der Spirituellen Disziplin vor, denn ohne diese könne man nicht auf dem Pfad fortschreiten.

In den Anfangszeilen des Jap Ji, dem täglichen Morgengebet der Sikhs, wird die Gotteskraft als Sat Naam oder die Ewige Wahrheit bezeichnet. In dem Namen ist das Leben der Religionen verwurzelt.

Säe den Namen. Nun ist es an der Zeit, alle Zweifel und Befürchtungen beiseite zu werfen. Verbrenne all deinen Samt und deine Seide zu Asche, wenn sie dich abhalten vom Namen des Herrn.

Der Guru fasst dann die Eigenschaften zusammen, die von einem Ergebenen auf dem Spirituellen Pfad erwartet werden.

Reinheit der Gedanken,Worte und Taten ist die erste Vorbedingung für das Aufdämmern des Höheren Lebens.

Auch Christus sagte:

Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.

Reinheit ist wahrlich der Schlüssel, der das Tor zur Meditation aufschließt und zur Wohnstatt des Herrn führt.

Zweitens muss man Geduld und Ausdauer entwickeln, um guten Mutes zu tragen, was auch immer Gutes oder Schlechtes sich als Auswirkung auf unsere Handlungen ereignen mag.

Drittens muss man Kontrolle über seine Gedanken haben und alle Wünsche vertreiben, um das Gleichgewicht des Gemüts zu sichern.

Viertens muss man beständig die tägliche Übung der Gegenwart des Lebendigen Gottes durch Verbindung mit dem Wort in vollem Glauben an die Meisterkraft oben durchführen.

Fünftens muss man in heiliger Ehrfurcht vor Seiner Gegenwart leben und sich zu unermüdlichen Bemühungen anfeuern lassen, die letzte Einheit mit Ihm zu erreichen.

Und vor allem muss man Gott mit solch einer Intensität lieben, dass sie allen Schmutz in uns verbrennt und uns freilässt, ungehindert zu Seinem Reich zu schreiten.