Kapitel IV

Amrit Vela – Die Zeit des Elixiers

Die Hindu Shastras haben die frühen Morgenstunden als verheißungsvoll und als Gottes eigene Zeit beschrieben. Die letzten drei Stunden der Nacht sind als die Zeit des Elixiers bekannt, da diese reine und ruhige Zeit für die Meditation von den alten Wahren Yogis und Sants genutzt wurde. Selbst im Adi Granth Sahib wurde der Wert von diesem Teil des Morgens stark gepriesen. Guru Nanak hat insbesondere die Einzigartigkeit und Wirksamkeit der Zeit des Elixiers für Meditation und Hingabe an Naam gepriesen.

Es ist die Praxis der Sants in der Nacht wach zu bleiben. Männer der Welt verbringen diese Zeit in sinnlichen und weltlichen Vergnügungen. Männer Gottes verbringen ihre Nächte, indem sie sich an Ihn erinnern. Beide sind wach, aber diejenigen sind gesegnet, die sie in Hari-Kirtan nutzen, das heißt, in der Erinnerung an den Herrn.

Adi Granth, Maru 5, 1018-11

Shamaz-i-Tabrez sagt:

Die Nacht ist die Zeit, wenn der Geliebte Herr erscheint. Diejenigen, die in dieser Zeit schlafen, berauben sich eines großen Segens. Der Tag ist für die Arbeit, aber die Nacht ist für die Liebe und Hingabe an den Herrn. Daher sollte die ganze Nacht in Gemeinschaft mit dem Herrn verbracht werden. Die ganze Welt schläft, aber die Ergebenen verbringen die Nacht in der Meditation zu den Füßen des Herrn.

Alle Zeiten sind gut für die Meditation, und einer sollte die Zeit nutzen, welche auch immer ihm passt. Aber die Morgenzeit kurz vor Tagesanbruch, und die Abendzeit unmittelbar nach Sonnenuntergang sind besonders vorteilhaft, da diese Zeiten Tag und Nacht – Abenddämmerung und Morgengrauen – vereinen und Spirituelle Ströme zu einer solchen Zeit besonders stark und machtvoll sind. Im Laufe des Tages sind wir mit den Angelegenheiten der Welt beschäftigt. Deshalb verbleibt einzig die Nacht für die Hingabe an den Herrn.

Ein Mensch, der im Laufe des Tages arbeitet, fühlt sich natürlich am Abend müde. Für ihn ist der Schlaf unumgänglich, und er kommt automatisch, um die Müdigkeit des Tages zu entfernen. So bleibt nur der letzte Teil der Nacht, während dem ein Mensch Meditation in völliger Wachsamkeit ausüben kann. Die Zeit des Elixiers beginnt ab drei Uhr morgens. Der Körper und Geist sind erfrischt und ruhig, und fit für die Meditation. Daher wird der letzte Teil der Nacht als günstiger für diesen Zweck betrachtet.

Die Frucht der Meditation, die im ersten Teil der Nacht ausgeübt wird, ist genau wie die Knospung der Bäume, aber die Meditation während des letzten Teils der Nacht ist wie der Baum, der die reife Frucht trägt. Zu dieser Zeit erhält man die Gnade Gottes.

Wenn die Nacht jung ist, bringt sie die Blume. Wenn alt, die Frucht; ja, diejenigen allein, welche sich wach halten in Gott, sind selig.

Farid

Während des Schlafes sinkt das Seelen-Bewusstsein bis zum Kehlen- oder zum Nabelzentrum, und wenn ein Mensch wach ist, befindet sich das Bewusstsein am Augenzentrum. Wenn man daher die Bemühung auf sich nimmt, sein Bewusstsein vom Körper zurückzuziehen, welches eine Praxis für die Trennung des Geistes von der Materie ist, wird die Seele den Körper leicht in den frühen Morgenstunden verlassen, da die Seele zu dieser Zeit gerade in die Poren des Körper eingedrungen ist und leicht von diesen zurückgezogen werden kann. Außerdem gibt es in der frühen Morgenstunde normalerweise keine Sorgen der Welt, um unsere Gemüter zu beschäftigen, und eine solche Zeit ist daher besser für die Konzentration, was zu anderen Zeiten nicht möglich ist aufgrund der weltlichen Pflichten und so weiter. Zur Zeit des Elixiers ist das Gemüt ganz frisch und des Tages Tumult hat seine Tentakeln noch nicht über es verbreitet. Mit dem Aufgang der Sonne und dem Einfall ihrer Strahlen, beginnen sich unsere Gedanken zu zerstreuen. In den frühen Morgenstunden ist ein Mensch Gott sehr nahe. Die erreichte Konzentration und ausgeübte Meditation in dieser Zeit hinterlassen ihren Eindruck auf die Arbeit des Tages. Und was auch immer eine solche Person macht, führt sie aus mit einem konzentrierten Gemüt.

Keine Spirituelle Übung sollte unmittelbar nach einer schweren Mahlzeit oder auf vollen Magen durchgeführt werden, weil dann die Körperenergien mit dem Verdauungsvorgang beschäftigt sind. Es ist besser, auf einen leeren Magen zu meditieren. In den frühen Morgenstunden ist der Magen leer, da das Essen, welches am Abend zuvor zu sich genommen wurde, in der Regel vollständig zu dieser Zeit verdaut ist.

Guru Ram Das sagt:

Während der Zeit des Elixiers sollte man sich der Hingabe an den Herrn anschließen, denn in dieser Zeit blühen solche Bemühungen und tragen ganz bestimmt Früchte, welche niemals schwinden und zur Ehre führen sowohl hier als auch im Jenseits. Den Namen des Herrn säend, wenn der Morgen jung ist, erntet der Ergebene eine unerschöpfliche Ernte. Sowohl jetzt als auch hiernach werden die Ergebenen mit der Glorie des Herrn Reichtümern gesegnet.

Adi Granth

Die Welt schläft, während Männer Gottes wach sind in Seiner Erinnerung und in den Farben seiner Liebe gefärbt sind.

Lord Krishna sagt:

Während gewöhnliche Menschen die Zeit des Elixiers in tiefem Schlaf verschwenden, sie als Nacht betrachtend, bleiben die Ergebenen des Herrn wach. Aber während des Tages, wenn gewöhnliche Menschen wach sind, betrachten die Ergebenen des Herrn es als Nacht.

Gita, 2-69

John S. Hayland hat in seinem Buch ‚Das Leben Christi‘ die unten erwähnte Beschreibung gegeben:

Es gibt eine Stunde der indischen Nacht, kurz vor dem ersten Schimmer der Morgendämmerung, wenn die Sterne unglaublich klar und näher sind, mit einer Helligkeit strahlend jenseits unserer Vorstellung in diesem nebligen Land. Die Bäume stehen still um einen mit einer freundlichen Präsenz. Noch gibt es keinen Ton von erwachenden Vögeln, aber die ganze Welt scheint aufmerksam, wachsam, lauschend, sehnlich zu sein. In einem solchen Moment wird der Schleier zwischen den Dingen, die gesehen werden, und den Dingen, die unsichtbar sind, so dünn, als dass man kaum irgendeine Grenze zwischen die Ewige Schönheit und Wahrheit und die Seele, welche sie erfasst, ziehen kann.

Maulana Rumi sagt:

O Suchender! Beende deinen Schlaf in der Nacht und geh in die Straße derjenigen, die eine Nachtwache halten. Du wirst sie glücklich und selig sehen in des Herrn Glanz im Innern, wie Liebende tief in der Betrachtung ihrer Geliebten, und in der gleichen Weise, wie eine Motte vom Licht einer Lampe entzückt ist.

Ein anderer Heiliger, Kut-ub-Din, sagt:

O mein Sohn, deinen Schlaf um Mitternacht aufgebend, liege da den Blick deines Geliebten erwartend.

Er sagt weiter:

O mein Herz, wenn Du wünschst im Lichte des Antlitzes deines Geliebten zu baden, erwache im frühen Morgengrauen, verlasse die Bequemlichkeiten deines Bettes, sitze in Meditation in einer Ecke, und du wirst Ihn erblicken.

Shamaz-i-Tabrez sagt ähnlich:

O du schöner mondgleicher Sucher, wenn du in der Nacht nicht schläfst, wirst du den Schatz der Unsterblichkeit erlangen. Deine Nacht wird strahlend werden mit jener verborgenen Sonne. Deine Augen werden sich öffnen und du wirst Seine Herrlichkeit erblicken.

Er fügt dann hinzu:

Du hast tausende von Nächten damit verbracht, danach zu trachten, dass deine Wünsche und Sehnsüchte erfüllt werden, aber wenn du nicht schläfst zuliebe deines Geliebten, was kann dir dann für ein Schaden widerfahren? Weißt du nicht, dass das, was die Spirituellen Könige besitzen, von ihnen in der Nacht erlangt wurde?

Du solltest wachsam bleiben zuliebe jenen Gebers aller Gaben, und du solltest keine Angst haben, dass Schlaflosigkeit in geistiger Ermüdung enden wird, denn während dieser Zeit fließt die Grundlage des Lebens, der Nektar, von welchem du erfrischt wirst und der dein Bewusstsein steigert. Deshalb schlafe nicht. Jeden Morgen ruft dich die Stimme des Herrn. Indem du auf sie hörst, werden alle deine Sorgen und Nöte verschwinden, und die Verschmutzungen bisheriger übler Eindrücke auf dein Gemüt werden auch weggewaschen werden. Schlafe nicht die ganze Nacht hindurch, denn zu dieser Zeit empfangen Tausende von Leben die erhaltende Lebenskraft. Wie der Vollmond steigt der Höchste Herr aus den Höchsten Himmeln herab, um Seine Schüler mit den Gaben der Gnade und Barmherzigkeit zu segnen.

Farid sagt auch:

Gott verteilt Moschus in der Nacht. Jene, welche schlafend verbleiben erhalten ihren Anteil nicht. Und in der Tat, was für ein Recht haben sie, ihn zu bekommen, wenn sie eine größere Liebe für ihren Schlaf haben?

Wiederum sagt Shamaz-i-Tabrez:

Nur nachts trifft die Seele ihren Herrn und hat all ihre Wünsche erfüllt. Die Herzen jener, welche den Wert der Nacht realisieren, werden so strahlend wie die Mittagssonne.

Nachdruck darauf legend, nachts wachsam zu sein, sagt Shamaz-i-Tabrez weiter:

Es gibt eine Zurückgezogenheit in der Nacht. Unser Geliebter ist in uns, und was für eine gnädige Zeit es ist! Die Tonströme von Naam hallen von allen Seiten und sind leicht zu hören in der Stille der Nacht. Wenn du eine große Sehnsucht hast, deinen Herrn zu treffen, sollst du wissen, dass die Dunkelheit der Nacht wie die langen schwarzen Locken des Geliebten sind, überall verbreitet. Und wenn du damit fortfährst, in der Nacht zu schlafen, dann solltest du beschämt sein.

Die Einsamkeit der Nacht ist wie ein Fluss, welcher unzählige reine Edelsteine in sich hat. Wenn du daran interessiert bist, sie zu erwerben, tauche tief in den Ozean der Nacht. Schlafe nicht. Schaue die Sterne in der Nacht! Wie sie wach bleiben und unvorstellbare Entfernungen reisen! Und lerne die Lektion, dass, indem du nachts wach bleibst, du auch ein Ziel erreichen musst.

Auch Hafiz hat ähnlich betont, dass der Schlüssel zum Schatz Gottes in der Meditation während der frühen Morgenstunden liegt und im Schmachten nach dem Herrn die ganze Nacht. Mit anderen Worten, du solltest diesen Pfad beschreiten, so dass du deinen Geliebten treffen kannst. Die Liebenden Gottes bleiben in der Nacht wach in Meditation, vor allem in den frühen Morgenstunden. Sie wiederholen Seinen Namen, und werden von all ihren Leiden und Sorgen, Ängsten und Uneinigkeiten befreit.

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Fußnote: