Keine besondere(n) Sprache oder Worte sind notwendig für Gebete

Es ist keine besondere Sprache notwendig, um zu beten. Wenn man sich während des Betens an irgendein Schema gebunden fühlt, ist der innere Fluss der Liebe nicht kontinuierlich. Man wird so des vollen spirituellen Nutzens beraubt. Lange und erlernte Phrasen sind nicht notwendig. Ein Gebet sollte von inneren Gefühlen erfüllt sein. Obwohl lange Worte und Phrasen unseren Intellekt befriedigen mögen, führen sie dazu, dass man der Krankheit der Prahlerei anheimfällt. Indem wir in die Struktur und die Rezitation der Worte verwickelt werden, werden wir uns weit von dem wahren Gefühl des Herzens entfernen. Unsere Gebete bilden dann den Zustand unseres Herzens und unseres Verhaltens nicht richtig ab. Unser Zustand wird zu dem eines Grabes aus Kalk und Mörtel, das den Leichnam eines Ungläubigen enthält.

Es ist zu beobachten, dass wir uns oft heuchlerischen Gebeten hingeben, bei denen Herz und Verstand nicht im Einklang sind. In Tibet gehen die Menschen in den Straßen mit einer Gebetsmühle umher, einer Maschine, die für sie Gebete wiederholt. Wenn sie gedreht wird, werden die darauf geschriebenen Namen gedreht, und es wird angenommen, dass die Namen so viele Male wiederholt wurden. Die Leute verdienen sogar Geld damit, dass sie die Gebetsmühle ein- oder zweimal drehen. Wie kann ein solches Gebet jemandem nützen?

Selbst wenn unsere Gebete schön und gefühlvoll erscheinen, aber unser Innenleben unrein ist, dann würden alle unsere Gebete falsch sein vor den Augen des Herrn. Aber wenn unsere Gebete unsere inneren Gefühle ausdrücken und unser Herz in Demut und Liebe gefärbt ist, dann werden unsere Gebete vom Herrn erhört und erfüllt. Es ist nicht weise, uns selbst und andere zu täuschen, denn die Wirklichkeit kann nicht verborgen bleiben und wird eines Tages bekannt werden. Reue zu empfinden, nachdem man einen Fehler erkannt hat, ist der erste Schritt zur Besserung, und der nächste Schritt ist, sich selbst zu reformieren. Die Versuchung, den Sinnesfreuden zu frönen, verleitet uns dazu, Sünden zu begehen, und wir müssen für sie bezahlen. Wir ernten, was wir säen.

Maulana Rumi hat ein schönes Beispiel für ein Gebet gegeben.

Moses traf eines Tages einen Hirten, der mit liebevollen Worten betete: „O Herr, wo bist Du? Ich will Dein Diener sein. Ich werde Deine Kleider flicken und das Haar auf Deinem Haupt kämmen. O Herr, lass mein Leben Dir geopfert sein. Ich will Dir meine Frau, meine Kinder und mein Haus opfern. Ich werde Dich mit Milch versorgen. Wenn Du es willst, werde ich Dir dienen. Ich werde Deine Hände und Füße küssen. Ich werde an Deinem Tor Wache halten, während Du schläfst. Ich werde Milch, Ghee, Käse, (in Fett) gebackene Kuchen, Töpfe mit Quark und andere gute Dinge für Dich zum Essen und Trinken bringen. Ich werde alle meine Ziegen für Dich opfern und werde immer weinend in Sehnsucht nach Dir bleiben.“

Als Moses dies hörte, sagte er: „Pfui über dich! Du bist verrückt. Du bist nicht mehr ein Glaubender, sondern ein Ungläubiger. Was ist das für ein unnützes und unreines Gerede? Schweig. Deine Unreinheit hat die Welt verunreinigt und das seidene Tuch der Religion beschmutzt. Wenn du nicht aufhörst, wird das Feuer des Zorns kommen und die Erde zerstören. Der Herr, wie die Sonne, braucht diese Dinge nicht, denn Er hat keinen Körper. Auch ist Er nicht auf Hände und Füße angewiesen. Wenn deine Rede für diejenigen bestimmt ist, die mit dem Herrn eins geworden sind, dann ist sie ebenfalls lächerlich. Wenn ein Glaubender mit dem Namen Fatima angesprochen wird, würde er sich beleidigt fühlen, weil es der Name einer Frau ist. Er würde sich ärgerlich fühlen und würde dich schlagen. Der Herr ist frei von Geburt und Tod, und zu Ihm zu beten, als hätte Er Hände und Füße, bedeutet, Ihn zu beleidigen.“

Als der Hirte dies hörte, sagte er: „O Moses, du hast meine Lippen versiegelt. Ich bin verwirrt und brenne.“ Er zerriss seine Kleider und begann zu weinen, dann rannte er davon in den Dschungel.

Da hörte Moses die Stimme des Herrn sagen: „Ach! Warum hast du meine Sucher von mir getrennt? Ich habe dich in die Welt gesandt, um Vereinigung herbeizuführen und nicht Trennung.“ Du bist gekommen, um zu vereinen und nicht um zu trennen.

Maulana Rumi

Der Herr fuhr dann fort, zu Moses zu sprechen und sagte: „Jeder erinnert sich an Mich gemäß seiner eigenen Sprache und (seinem) Temperament. Was auch immer der Hirte angeboten hat, habe Ich angenommen. Ich bin nicht erfreut über dich, denn ich betrachte die Ablehnung solcher Angebote als verwerflich. Meine Aufgabe ist es, Gnade auszuschütten. Durch das Zählen von Perlen (an der Gebetskette) bin nicht ich es, der rein wird, sondern die, welche es ausführen. O Moses, ich schaue nicht auf das Äußere, sondern auf den inneren Zustand. Ich akzeptiere was immer die Menschen sagen, wenn sie beten – auch wenn es schlecht ausgedrückt ist – wenn es aus dem Herzen kommt. Die Gefühle des Herzens sind das Eigentliche; die Worte drücken sie nur aus. Ich will echte Sehnsucht aus dem Herzen. Erzeuge Sehnsucht in dir selbst. Entfache das Feuer der Liebe, das alle Gedanken und Sprachen wegbrennt. O Moses, diejenigen, die sich an Regeln und Vorschriften halten, sind anders als die entwickelten und hingebungsvollen Seelen. Für die Liebenden erzeugt jeder Atemzug Sehnsucht.

Niemand erhebt eine Steuer auf Dorfruinen. Es ist nicht nötig, das Blut der Märtyrer zu waschen. Ihr Blut ist reiner als das reinste Wasser. Ihre Fehler sind besser als Hunderte von guten Taten, die andere vollbracht haben. Erwarte keine Führung von Beobachtern der Form. Die Religion der Liebe ist anders als andere Formen der Anbetung. Für Liebende ist der Herr die einzige Religion und das einzige Glaubensbekenntnis. Wenn ein Rubin nicht das Siegel trägt, ist das nicht von Bedeutung.“

Als Moses diese zornigen Worte des Herrn hörte, lief er zu dem Hirten und sagte ihm: „Ich habe eine gute Nachricht für dich mitgebracht. Der Herr hat deine Gebete erhört. Dein Unglaube steht auf der gleichen Stufe wie der Glaube. Dein Glaube ist das Licht des Lebens. Du kannst sagen, was du willst, ohne jede Angst.“ Der Hirte antwortete: „Ich stehe jetzt über diesen Dingen. Als du mich ausgeschimpft hast, habe ich eine andere Richtung eingeschlagen. Aber dann überschritt ich die Himmel auf einen Schlag und wurde ein Vertrauter und enger Freund des Herrn. Mein Zustand ist nun unbeschreiblich.“

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Fußnote: