Das Bara Maha von Kirpal Singh

Zwölf Monate der Trennung – Gerichtet an Hazur Sawan Singh

I

Mit dem Anbruch von ‚Chet‘ wird mein Herz trauriger, es ist so, seit ich meinen Geliebten verlor; ich betete und betete, jedoch ohne Wirkung und all meine Mühen waren vergeblich; der Wunderschöne Eine kehrte nicht um, sondern ging hinfort. Er hörte nicht auf all mein Flehen und meine Überredungen. Wehe dem Tag, als ich Dich liebte, o Geliebter, dem Tag, als sich unsere Augen trafen.

II

‚Vaisakh‘ ist gekommen und Du bist nicht bei mir. Das Feuer der Trennung ist alles-verzehrend, Liebe hat nur Qual gebracht und keine Fröhlichkeit für mich. Wie ein abgeschiedenes Täubchen in Schmerzen klagt, so tue ich es über mein Los. Ohne Dich ist die Heimstätte vereinsamt und Furcht beschleicht mich im Inneren und Äußeren.

III

Mit ‘Jeth‘ ist die Trennung wirklich lang geworden; die Augen werden müde nach Dir zu suchen. Gib mir einen Schimmer der Gnade und segne mein bescheidenes Heim mit Deiner Anwesenheit; oder anders, gib Nachricht, wann Du kommen würdest, Tag und Nacht halte ich Ausschau nach Dir; ohne Dich ist da keiner, der sich meiner annimmt, und ich habe keinen anderen Rückhalt oder Anker.

IV

Mit dem Kommen von ‚Haar‘ sieht die Welt trostlos aus, und mein Herz ist zerstört durch Seelenschmerz. Triff mich nur einmal, o Geliebter! Ich habe lange an der Trennung gelitten. Hätte ich gewusst, ich würde so betrogen werden, ich würde mich fern gehalten haben von der Liebe. Du hast mich vereinsamen lassen, o Liebe! Derartig ist das grausame Dekret Gottes.

V

‚Sawan‘ ist gekommen und die Trennung ist unerträglich. In Qualen, unaufhörlich rufe ich Dich an; ruhelos wie ein Fisch leide ich Tag und Nacht. Mein Leben ist eine Beute der Klagen geworden. Will niemand ein Heilmittel empfehlen? Während ich liege, trostlos auf Deiner Türschwelle, o Geliebter, rufe ich vergeblich nach dem Tode, um mich zu befreien von der Tyrannei der Trennung.

VI

Mit ‚Bhadon‘ hält die Vorsehung mich weiterhin in schlimmen Tagen, und ich kann keine Heilung oder Linderung erfahren. All meine Hoffnungen verbleiben unfruchtbar. Mein Schicksal ist grausam und es hat sich meiner nicht angenommen. In Glückseligkeit lebend ist mein Geliebter von mir genommen worden und keiner hat für mich eine Linderung gefunden. Ich habe alles erdenklich Mögliche versucht, o Liebe, aber es gibt kein Entkommen von den Ketten des Kummers.

VII

Im ‚Asuj‘ lebe ich in Sehnsucht nach Dir und ich brenne im Feuer der Trennung, um mich zu verfangen in Deiner Liebe. Wofür bist Du gegangen? O mein Geliebter, Du hast einen großen Schwindel bewiesen. Ich bin ruhelos, wie ein halb verbranntes Etwas, verzehrt auf diese Weise durch die Flammen der Trennung. Wer kann die Anweisung Gottes ändern, o Geliebter? Ich bin angeschlagen durch die Feder des Schicksals.

VIII

Im ‚Katik‘ verlängere ich meine Tage, wehklagend im Kummer. Keinen habe ich, der sich mir annimmt in dieser Notlage. Als mein Freund in Seine Ewige Heimat gegangen ist, wurde das Leben für mich zu einer großen Last. Ich finde mein Leben in Traurigkeit verleitet und ich bin wie einer, der weder lebendig noch tot ist. Ich wandere umher nach Dir verlangend, Geliebter und sie behandeln mich wie einen, der verrückt wurde.

IX

Im ‚Maghar‘ ist mein Leben in Qual, da mein Geliebter gegangen ist, keinen Hinweis hinterlassend. All meine Hoffnungen sind versenkt worden, ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Ich suche nach jemandem, der mir Seine Anschrift geben kann. Du hast mich zurückgelassen als Krüppel, eine Beute für alle Qualen. Ich hätte mir kaum träumen lassen, dass ich ein armes Wesen wie dieses sein würde. Kümmere dich augenblicklich um meinen Zustand, o Geliebter, da mein Leben jetzt über dem Abgrund schwebt.

X

‚Poh‘ hat seine eigenen Missgeschicke gebracht. In tiefer Traurigkeit weine ich durch die Trennung. Wer immer sein Alles verloren hat,der beweint seinen Verlust fortwährend. Jene, welche die ganze Zeit hinweg weinen, wandern rastlos durch die Welt. O mein Herr, wehmütig warte ich auf Dich und, mit meinen leidenden Gefährten sitzend, schaue ich nach Dir.

XI

In ‚Magh‘ erwarte ich Dich schmerzerfüllt, o Geliebter! Zerbrochen, habe ich alle Hoffnung verloren, Dich zu treffen. Tag und Nacht sehne ich mich, Dich zu sehen. Warum rufst Du mich nicht zu Dir? In totaler Verzweiflung bete ich für den Tod. Sogar durch diese Foltern sehe ich den Tod nirgendwo. Mit wem kann ich teilen, was ich erleide, o meine Liebe,  jetzt, da Du nicht länger mit mir bist?

XII

‚Phagan‘ hat mich ausbluten lassen und da ist keine Hoffnung für mich zu überleben. Noch immer verweile ich bei Dir – O komme sofort, da es scheint, dass jetzt das Leben vom Körper beraubt wird. Wenn der Engel des Todes kommt und seinen Tribut fordert, würde er nicht einen Augenblick Aufschub gewähren! Wenn ich sterbe, lass mich Dich erblicken, nur einmal, Geliebter, lass mich Dein leuchtendes Antlitz sehen, ob ich es verdiene oder nicht.

Kirpal Singh

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Erläuterung: Seiner Initiation (1924) folgend, hatte Kirpal Singh eine Vision des Dahinscheidens Seines Meisters – 21 Jahre vor dem tatsächlichen Ereignis. Diese leidvolle Erfahrung inspirierte Ihn zu diesen zwölf Eklogen in Punjabi, welche hier aus dem Englischen ins Deutsche übertragen wurden. Die Monate in diesen Versen entsprechen dem indischen Kalender. Der Monat Chet, der als erster genannt wird, endet am 12. April und ist der Monat, in dem Hazur Baba Sawan Singh für immer Seinen Körper verließ.