III / (xi)

Das Äußere und das Innere

Der Weg zur Erlösung liegt nicht außen, sondern Innen. Äußere Rituale sind ohne Nutzen, und wenngleich es wünschenswert ist, der früheren Meister in Ehrfurcht zu gedenken, kann es jedoch nicht wirklich helfen, wenn man sich in der Verehrung Ihrer Samadhs, Grabmäler, Statuen und Bilder verliert. Man muss sich Ihre Leben zum Vorbild nehmen und sich wie Sie auf die Innere Welt konzentrieren.

Baba Ji Selbst verbrachte Wochen im Bhajan und Simran, mit nur kurzen Unterbrechungen, um Nahrung zu Sich zu nehmen. Er hielt Seine Schüler immer dazu an, so viel Zeit wie irgend möglich den Spirituellen Übungen zu widmen, die Er sie gelehrt hatte.

Das ständige Gedenken des Herrn ist der beste Schutz gegen Verhaftetsein und Maya, und man sollte den fünffältigen Simran zu jeder Stunde des Tages üben. Nicht weniger wichtig ist Bhajan, was eine größere Konzentration der Aufmerksamkeit erfordert. Was immer kommen mag und wie sehr der Schüler mit äußeren Pflichten beschäftigt ist, er muss täglich eine Zeit für Bhajan finden, und sei es noch so wenig.

Nur wenn man die Verbindung mit Shabd aufrecht erhält, kann man alles erreichen; und wenn der Schüler dieses Bindeglied durch ständige Übung verstärkt hat, wird die Innere Musik unaufhörlich zu jeder Tageszeit hereinströmen, zum lauten Ruf werden und ihn geschickt, wie ein Seidenkleid, von den Dornen irdischer Wünsche befreien.

Mit anderen Worten, Baba Ji lehrte die Spiritualität als eine Innere Schulung, die nichts Sektiererisches an sich hatte und allen zugänglich war.

Er betonte immer, dass es dabei nicht um äußere Formen und Glaubensrichtungen gehe:

Es war ausschließlich eine Frage der Inneren Reinigung und Praxis. Wer einen Wahren Meister findet und sich zu einem fähigen Schüler entwickelt, der zuverlässig an den Übungen, die ihm gelehrt wurden, festhält, wird mit Sicherheit früher oder später Sat Lok erreichen.

*Die Aufgabe des Satgurus ist es, die Seele zum Sat Purush zu bringen, bei Dessen Anblick sie erkennt, dass sie von derselben Essenz ist und sieht, dass der Satguru und der Höchste Herr Eins und unteilbar sind. Dort geht sie in Sat Naam auf, mit dessen Hilfe sie weiter in Alakh, Agam und Anaami (oder Radhasoami) eindringt und selbst in eine Wunderbare Region darüber, wie aus einem Brief Baba Jis – abgedruckt in den 'Spirituals Gems' –, zu entnehmen ist. Jede Region bedeutet eine weitere Stufe der Vertiefung der Seele aus Name und Form in den Namenlosen und Formlosen, die Letzte Stufe, jenseits aller Formen von Licht und Ton und daher in Worten der menschlichen Erfahrung gänzlich unbeschreiblich.

* ( Die Übersetzung dieses Abschnitts ist an die
englischsprachige Erstedition von 1960 angeglichen;
Anm. d. Redaktion 2011.)

Man kann auf diesem Pfad ungeachtet seines sozialen und religiösen Hintergrundes Erfolg haben.

Den Anweisungen Soami Jis getreu, suchte Baba Ji die Spiritualität auf eine Weise zu erklären, die sie von Sektierertum möglichst freihielt. Er hob viele der äußeren Praktiken aus früherer Zeit auf, darunter besonders Bhaint oder Gaben für den Guru, und überließ es ganz den Wünschen des Schülers, zur Deckung der laufenden Ausgaben des Satsang beizutragen. Auch unterstützte Er keine besonderen Begrüßungsformen als Ausdruck der Verehrung, die leicht zum Kennzeichen einer neuen Glaubensrichtung werden können.

*Einst, während Er in Murree war, wies Bibi Rukko – unter dem Einfluss eines kürzlichen Besuches in Agra – die Satsangis an, Baba Ji, wenn Er kam, mit den Worten Radhasoami zu begrüßen.

Baba Ji war alles andere als erfreut:

Sieh zu, dass du in Zukunft diesen Fehler nicht wiederholst,

mahnte Er.

Wir Seelen kommen nicht, um neue Sekten und Bekenntnisse zu schaffen. Wir sind hier, um alle Unterschiede aufzulösen. Wozu diese einfachen Leute mit diesen äußeren Schlagworten ablenken? Meine Aufgabe ist es, sie nach Innen zu bringen. Und lass einen jeden mich nach den Bräuchen seiner jeweiligen Gemeinschaft grüßen.

* (Die Übersetzung dieses Abschnitts ist an die
englischsprachige Erstedition von 1960 angeglichen;
Anm. d. Redaktion 2011.)

Wie wir schon gesehen haben, hatte Er einen Kern Moslem-Schüler, bei denen Er nie das Gefühl aufkommen ließ, dass sie ihrer eigenen Religion in irgendeiner Weise zu entsagen hätten. Es war nur ein Wissensgebiet wie Mathematik oder Astronomie, das Menschen in aller Welt studieren und meistern können. Was Er sie lehrte, waren genau dieselben Wahrheiten, die die größten Sufis wie Dschalal-ud-Din Rumi, Hafiz, Shamas-i-Tabrez oder Inayat Khan Ihren Schülern verkündet hatten.

Diese Aufgabe wurde durch Baba Jis Spirituellen Sohn, Hazur Sawan Singh Ji, weitergeführt. In der Zeit Seines Wirkens vergrößerte sich der Satsang ungeheuer, womit sich Baba Jis Vorhersage erfüllte. Die Botschaft des Großen Meisters wurde über Länder und Meere getragen, und Menschen aller Glaubensrichtungen suchten in Seiner Herde Zuflucht. In Übereinstimmung mit dieser neuen Entwicklung und um dem geistigen Wandel der Zeit gerecht zu werden, begann Hazur Sawan Singh Ji die zeitlose Botschaft als eine Innere Wissenschaft darzulegen.

Das äußere Ritual wurde immer mehr fallen gelassen und Praktiken wie Charan Amrit, Mukh Amrit oder Arti ganz abgeschafft.

Wie Baba Ji war Er immer geneigt, mit geistigen Führern aller Glaubensrichtungen zusammenzukommen. Dr. Johnson, einer Seiner amerikanischen Schüler, berichtet von Ihm in seinen Aufzeichnungen ‘With a Great Master in India’, dass Er überall, wo Er hinkam, die heiligen Stätten der verschiedenen Glaubensrichtungen aufgesucht habe.

Die wissenschaftliche Tendenz hat sich weiter verstärkt, und die Menschen sind nicht länger bereit, die Spiritualität wie in früheren Tagen als eine Sache ergebenen Glaubens anzunehmen.

Wir müssen überzeugt sein,

sagen sie,

wir müssen Beweise haben. Wir können uns nicht damit zufrieden geben, blindlings zu tun, was unsere Vorfahren taten.

Um sich dieser Entwicklung anzupassen, hat der Ruhani Satsang in Delhi in Übereinstimmung mit den Wünschen Hazur Sawan Singh Jis die letzten Spuren eines Rituals beseitigt. Es werden nicht einmal Fotografien des Lebenden Meisters aufgestellt.

Von allem äußeren Ballast befreit, erweist sich die Spiritualität als eine Wissenschaft, die genauso exakt und nachprüfbar in ihren Ergebnissen ist wie jede andere.

Mögen alle Sucher diese Wissenschaft aufnehmen und im Laboratorium der Seele die nötigen Vorbedingungen schaffen, dann werden sie – so sicher, wie der Tag der Nacht folgt – ins Reich Gottes gelangen.

Kirpal Singh